Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
abgestreift und war der Klostervorsteherin gefolgt.
Obwohl es ihr albern vorkam, hatte sie die Pistole aus der Handtasche gezogen. Mein Gott, sie folgte einer Nonne! Trotzdem behielt sie die Waffe in der Hand, als sie lautlos die Stufen hinunterhuschte und sich vorsichtshalber fest auf die Lippe biss, um nicht aufzuschreien, falls sie sich im Dunkeln einen Zeh anstieß. Das Licht einzuschalten, wagte sie nicht, auf keinen Fall wollte sie von der Mutter Oberin entdeckt werden!
Warum schlich Charity Varisco während der Auktion durch die abgesperrten Gänge des alten Waisenhauses? Val dachte an den Eintrag in Camilles Tagebuch.
C U N
7734
,
RM CV
–
See you in hell, Reverend Mother Charity Varisco.
Eine andere Erklärung wollte ihr einfach nicht einfallen, auch wenn dieses »Ich seh dich in der Hölle, Mutter Oberin Charity Varisco« nach wie vor keinen Sinn für sie ergab. Sie dachte an die Pfeile, die Camille um die Worte »Mutter Oberin« gemalt hatte, als wollte sie diese auf die Klostervorsteherin abschießen oder hätte sie zumindest im Visier.
Weiter ging es treppabwärts, dem schwachen Lichtschein entgegen. Unten angekommen, blieb sie abwartend stehen. Als sie niemanden entdeckte, trat sie ins Licht. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, ihre Haut kribbelte, und sie schlich mit nackten Füßen über den staubigen Zementboden.
Sie hörte ein ekelerregendes, leises Quieken und das Scharren winziger Krallen, dann sah sie eine Ratte in der Ecke sitzen, deren Augen den Lichtschein reflektierten. Bei Valeries Anblick schoss die Ratte in ein Loch, ihr kahler Schwanz glitt zuckend hinter ihr her.
Val biss die Zähne zusammen und zwang sich weiterzugehen. Plötzlich hörte sie Stimmen. Zornige, drohende Stimmen.
Ihre Nackenhaare sträubten sich. Die Waffe vor sich, schlich sie mit gespitzten Ohren näher heran.
Sie erkannte die Stimme der Mutter Oberin, aber es gab noch eine andere Stimme, die ihr ebenfalls bekannt vorkam. O Gott! Es war das ekelerregende, heisere Flüstern, das sie am Telefon gehört hatte!
»Suchst du dasssss hier?«, fragte die Stimme gerade. Vals Herz raste, angetrieben von Adrenalin und nackter, eisiger Furcht. »Ihre Geburtsssssurkunde?«
Geburtsurkunde? Wessen Geburtsur…
Und dann wusste sie schlagartig, dass es sich um ihre eigene handeln musste, um die Geburtsurkunde von Valerie Renard. Es konnte gar nicht anders sein. Sie spürte einen eiskalten Klumpen in ihrem Magen.
»Gib sie her«, verlangte die Mutter Oberin von Panik ergriffen.
»Warum? Damit du sie vernichten kannssssst? Niemals. Na los, beweg dich! Lass uns gehen!«
»Ich werde nicht gehen.«
»Und ich werde sie umbringen. Kapiert? Wie die anderen. Sie ist die Nächssssste.«
Vals Knie drohten nachzugeben. Sie entsicherte die Achtunddreißiger.
»Das wirst du nicht tun.«
»Natürlich!« Absolut überzeugt. Bestimmt. Böse. »Das solltest du doch mittlerweile wissen! Sind die anderen nicht Beweis genug? Jetzt beweg dich!«
Aus irgendeinem Grund begann die Mutter Oberin, mit dem Verrückten um Vals Leben zu feilschen.
Val hörte, wie sich vor ihr jemand mit unsicheren Schritten in Bewegung setzte – vermutlich Schwester Charity, die gegen ihren Willen tiefer in den Keller gedrängt wurde.
Irgendwie musste Val diesem Wahnsinn ein Ende setzen. Sie hatte eine Pistole. Besaß der Mörder ebenfalls eine Waffe? Konnte sie das Risiko eingehen? Sie machte gerade einen Schritt nach vorn, bereit, dem Irren und seinem Opfer entgegenzutreten, als ein Schalter gedrückt wurde.
Klick!
Stygische Dunkelheit senkte sich auf sie herab.
Verdammt! Was nun?
Sie konnte umkehren und auf Slade warten, aus der Turnhalle einen der Beamten holen, aber das würde sie Zeit kosten, und vermutlich würde sie dann die Spur der Mutter Oberin und des Mörders in diesem sich endlos erstreckenden Kaninchenbau verlieren.
Wer wusste schon, wohin all diese Gänge und Gewölbe führten? Nein, sie musste den beiden folgen. Nicht nur weil sie diese Geburtsurkunde sehen wollte, sondern weil das Leben der alten Nonne in ernster Gefahr zu sein schien.
Mit Sicherheit würde Slade zu ihr aufschließen … oder?
Val verließ sich auf ihren Instinkt. Irgendwo weiter vorn leuchtete eine Taschenlampe auf. Mit angehaltenem Atem folgte sie ihrem Schein, der sich tiefer und tiefer in die Dunkelheit bohrte.
»Alle bleiben auf ihren Plätzen!« Montoya bemühte sich, zusammen mit den anderen Beamten die Auktionsgäste unter Kontrolle zu halten. Die
Weitere Kostenlose Bücher