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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Mama. »Wo warst du denn, mein Kind?«
    Ich warf Suzanne einen vorwurfsvollen Blick zu. »Suzanne hat mich völlig vergessen«, teilte ich mit. »Ich bin eingeschlafen und –« Suzanne hielt mit der Rechten ihre Kaffeetasse und umklammerte mit der Linken Etiennes Hand. Jetzt stellte sie empört die Tasse nieder. »Nein, so etwas! Erst schläft sie mir im Maison Commune so fest ein, dass ich sie nicht aufwecken kann und allein zu Albitte hineingehen muss! Schließlich kann man ihn nicht warten lassen, bis Mademoiselle Eugénie geruht, aufzuwachen. Und dann kommt sie daher und –«
    »Von Albitte aus bist du wahrscheinlich gleich zumGefängnis gelaufen und hast mich ganz vergessen«, sagte ich. »Aber ich nehme es dir nicht übel, wirklich nicht!«
    »Aber wo warst du denn bis jetzt?«, erkundigte sich Mama besorgt. »Wir haben Marie bereits zum Maison Commune geschickt, aber es war geschlossen, und der Pförtner sagte ihr, dass kein Mensch mehr mit Ausnahme von Albittes Sekretär darinnen sei. Marie ist unverrichteter Dinge vor einer halben Stunde zurückgekommen. Mein Gott, Eugénie – und jetzt bist du allein durch die Stadt gegangen! Um diese späte Stunde! Wenn ich mir vorstelle, was dir hätte zustoßen können …« Mama nahm die kleine silberne Glocke, die immer neben ihrem Gedeck liegt, und begann Sturm zu läuten. »Bringen Sie dem Kind die Suppe, Marie!«
    »Aber ich bin gar nicht allein durch die Stadt gegangen«, sagte ich. »Der Sekretär von Albitte hat mich nach Hause begleitet.« Marie stellte die Suppe vor mich hin. Aber ich hatte den Löffel noch nicht an den Mund geführt, als Suzanne aufgeregt auffuhr: »Der Sekretär? Dieser unfreundliche Kerl, der vor der Tür Wache gehalten und die Namen ausgerufen hat?«
    »Nein, das war nur ein Amtsdiener. Albittes richtiger Sekretär, ein furchtbar netter junger Mann, der Robespierre persönlich kennt. Zumindest sagt er das. Übrigens habe ich –« Aber sie ließen mich nicht ausreden. Etienne, der sich im Gefängnis zwar nicht rasiert, aber bis auf die Bartstoppeln nicht im Geringsten verändert hat, unterbrach mich: »Wie heißt er denn?« »Komplizierter Name. Schwer zu merken. Bunapat oder so ähnlich. Ein Korse. Übrigens habe ich –« Sie ließen mich noch immer nicht ausreden.
    »Und mit diesem wildfremden Jakobiner ziehst du abends allein in der Stadt herum?«, donnerte Etienne und bildete sich ein, Vaterstelle an mir zu vertreten. MancheFamilien können nun einmal nicht logisch denken. Erst haben sie alle gejammert, weil sie dachten, ich sei allein durch die dunkle Stadt gegangen, und jetzt regen sie sich auf, weil ich gar nicht allein war, sondern ausgezeichneten männlichen Schutz gefunden habe. »Er ist doch nicht wildfremd, er hat sich mir vorgestellt. Seine Familie lebt übrigens hier in der Stadt. Es sind Flüchtlinge aus Korsika. Übrigens habe ich –«
    »Iss zuerst, die Suppe wird kalt«, sagte Mama. »Flüchtlinge aus Korsika!«, sagte Etienne verächtlich. »Wahrscheinlich Abenteurer, die sich in ihrer Heimat in politische Intrigen eingelassen haben und jetzt hier unter dem Schutz der Jakobiner ihr Glück versuchen. Abenteurer, wiederhole ich, Abenteurer!« Ich legte den Löffel nieder, um meinen neuen Freund zu verteidigen. »Ich glaube, er hat eine sehr brave Familie. Und sein Bruder ist sogar General. Übrigens habe ich –«
    »Wie heißt der Bruder?«
    »Das weiß ich nicht, wahrscheinlich auch Bunapat. Übrigens –«
    »Nie den Namen gehört«, murmelte Etienne. »Aber da man ja die meisten Offiziere des alten Regimes verabschiedet hat, fehlt es an Nachwuchs. Da wird lustig darauflos befördert, die neuen Generäle haben kein Benehmen, keine Kenntnisse, keine Erfahrungen!«
    »Erfahrungen können sie genug sammeln, wir haben doch Krieg«, warf ich ein. »Übrigens wollte ich sagen –«
    »Iss schon deine Suppe!«, ermahnte Mama.
    Aber jetzt ließ ich mich nicht mehr unterbrechen: »Übrigens wollte ich sagen, dass ich beide für morgen eingeladen habe.« Dann begann ich eilig die Suppe zu löffeln, weil ich spürte, wie entsetzt mich alle anschauten. »Wen hast du eingeladen, mein Kind?«, fragte Mama.
    »Zwei junge Herren. Den Bürger Joseph Bonpat oderwie er heißt und seinen kleinen Bruder, den General«, antwortete ich tapfer. »Das muss rückgängig gemacht werden!« Etienne schlug auf den Tisch. »In diesen unruhigen Zeiten bittet man nicht zwei dahergelaufene korsische Abenteurer, von denen kein Mensch jemals etwas

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