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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Österreicher dagegen zogen mit klingendem Spiel ein und winkten den Mädchen zu, die aus den Fenstern heraushingen. Man rollte Kanonen vor die Hauptquartiere der verbündeten Feldherren, um sie vor der Wut der Pariser zu schützen. Aber die Pariser hatten ja gar keine Zeit, sich am Fürsten Schwarzenberg oder Blücher zu rächen. Sie standen vor den Bäckerläden Schlange und bettelten bei den Händlern um ein Säckchen Mehl. Die Kornspeicher in der Umgebung von Paris sind von den Verbündeten geplündert und dann angezündet worden. Die Zufahrtsstraßen zu den südlichen Provinzen sind gesperrt. Man hungert. Am 1. April wurde eine provisorische Regierung eingesetzt, die mit den verbündeten Mächten verhandelt. An ihrer Spitze steht Talleyrand. Der Zar ist im Palais Talleyrand abgestiegen. Talleyrand gab ihm zu Ehren ein Fest, an dem die Mitglieder der alten Adelsfamilien, die Napoleon aus der Emigration zurückkehren ließ,teilnahmen. Der Champagner floß in Strömen, und der Zar zauberte Mehl und Fleisch und Kaviar herbei. Die Gäste wurden satt. Napoleon befindet sich mit fünftausend Mann seiner Garde in Fontainebleau. Caulaincourts Wagen rollt ununterbrochen zwischen Paris und Fontainebleau hin und her. Caulaincourt verhandelt im Namen des Kaisers mit den Verbündeten. Die Verbündeten schoben Talleyrand als Vorsitzenden der neuen französischen Regierung vor: Frankreich selbst sollte bestimmen. Am 4. April unterschrieb Napoleon folgende Abdankungsurkunde: »Da die verbündeten Mächte erklärt haben, dass der Kaiser Napoleon das einzige Hindernis für die Wiederherstellung des Friedens in Europa ist, so erklärt der Kaiser Napoleon seinem Eid getreu, dass er bereit ist, vom Throne zu steigen, Frankreich zu verlassen und sogar das Leben zu opfern für das vaterländische Wohl, das von den Rechten seines Sohnes, den Rechten der Regentschaft der Kaiserin und der Aufrechterhaltung der Gesetze des Kaisertums unzertrennbar ist. Gezeichnet: Napoleon.« Zwei Tage später erklärte der Senat, dass eine Regentschaft Napoleons II. gar nicht in Frage käme. Ich weiß nicht, woher plötzlich alle Leute die weißen Fahnen der Bourbonen nehmen, die sie aus den Fenstern hängen. Schmutzig grau wehen sie im Aprilregen. Niemand reißt sie herunter, niemand jubelt ihnen zu. Der »Moniteur« schreibt, dass nur die Restauration der Bourbonen Gewähr für dauernden Frieden bietet. Die Polizisten, die die Hauptstraßen für den Einmarsch weiterer verbündeter Truppen freihalten, tragen nicht mehr die blauweißrote Kokarde, sondern die weiße, um derentwillen während der großen Revolution so viel Blut geflossen ist. Die meisten Mitglieder der Familie Bonaparte sind von Rambouillet mit der Kaiserin nach Blois geflohen. Die Kaiserin ist für niemanden zu sprechen. Sie liegt in den Armen Seiner Majestät, ihres Herrn Papa, undbittet ihn schluchzend, sie und ihr Kind zu schützen. Ihr Kind, nur das ihre. Der österreichische Kaiser beschloss, seinen kleinen Enkel Franz zu rufen. Der Name Napoleon gefällt ihm nicht.
    Joseph sandte mehrmals Briefe von Blois aus an Julie. Sie wurden von Bauernjungen überbracht, die sie gern durch die verbündeten Linien schmuggelten, um Paris zu sehen. Julie soll mit den Kindern bei mir bleiben, bis die neue Regierung und die Verbündeten über das weitere Schicksal der Familie Bonaparte und die »Vergütung allen Eigentums« Beschlüsse gefasst haben, schreibt er. Julie hat mich am 1. April um Geld für die Gage der Gouvernante ihrer Kinder gebeten. »Ich habe keinen Sou bei mir. Joseph hat alles, was wir an Geld und Staatspapieren besitzen, in einer eisernen Kasse mitgenommen. Auch meinen Schmuck«, erklärte sie mir. Pierre bezahlte natürlich die Gouvernante. Auch mein Neffe Marius wollte sich Geld ausborgen. Ich wies ihn an Pierre. Obwohl sich Marceline vor den Passanten fürchtet, die jetzt nur noch in kleinen Gruppen vor meinem Haus stehen, entschloss sie sich zu einer Ausfahrt. Sie nahm meinen Wagen mit dem schwedischen Wappen und kehrte mit zwei neuen Hüten zurück. Die Rechnung ließ sie an mich schicken. Am Morgen des 11. April trat Marie an mein Bett, stellte eine Tasse Ersatzkaffee, der abscheulich schmeckte, auf meinen Nachttisch, legteein trockenes, graues Brötchen daneben und sagte: »Pierre muss mit dir sprechen. Du hast kein Geld mehr!« Pierre wohnt jetzt in der ehemaligen Pförtnerwohnung im Erdgeschoss. Ich fand ihn vor seinem Schreibtisch. Sein Holzbein lehnte in einer Ecke, er

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