Désirée
Offiziere seiner Gesinnung – ich meine, alle extremen Elemente der Armee – sind verhaftet worden.«
»Und – was wird mit ihm geschehen?«
»Darüber bin ich nicht informiert.«
Und da der Oberst eine Bewegung machte, die andeutete, dass ich mich verabschieden sollte, stand ich auf. »Die Wäsche und der Kuchen«, sagte ich und zeigte auf das Paket. »Vielleicht können Sie ihm die Sachen geben?«
»Unsinn, Buonaparte ist doch nicht mehr hier! Er wurde ins Fort Carré bei Antibes gebracht.«
Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Sie hatten ihn fortgeschleppt, ich konnte ihn nicht erreichen … »Aber er muss doch Wäsche zum Wechseln haben«, sagte ich ungeschickt. Das rote Gesicht schwamm vor meinen Augen, ich wischte die Tränen ab, neue kamen. »Können Sie ihm nicht das Paket schicken, Herr Oberst?«
»Sagen Sie einmal, mein Kind, glauben Sie, ich habe nichts anderes zu tun, als mich um die Unterhosen eines grünen Lausbuben, der sich General nennen darf, zukümmern?« Ich schluchzte auf. Er nahm wieder eine Prise, die Szene schien ihm sehr unangenehm zu sein. »Hören Sie doch auf zu weinen«, sagte er. »Nein«, schluchzte ich.
Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor und stellte sich neben mich. »Hören Sie auf zu weinen, habe ich gesagt!«, brüllte er.
»Nein!«, schluchzte ich noch einmal. Dann wischte ich die Tränen ab und sah ihn an. Er stand dicht neben mir, die wasserblauen Augen glitzerten ratlos. »Ich kann nämlich Tränen nicht vertragen«, sagte er verlegen. Worauf ich sofort wieder zu weinen begann. »Aufhören!«, schrie er. »Aufhören! Also – weil Sie keine Ruhe geben und weil Sie – gut, ich werde das Paket mit einem meiner Soldaten ins Fort Carré senden und den dortigen Kommandanten ersuchen, es diesem Buonaparte auszuliefern. Sind Sie zufrieden?« Ich versuchte zu lächeln, aber die Tränen störten mich, und ich schnüffelte. Ich hatte schon die Türklinke in der Hand, als mir einfiel, dass ich nicht einmal gedankt hatte. Ich wandte mich um. Der Oberst stand vor seinem Schreibtisch und betrachtete düster das Paket. »Vielen Dank, Herr Oberst«, flüsterte ich.
Er sah auf, räusperte sich und sagte: »Hören Sie zu, Bürgerin Clary – zwei Dinge will ich Ihnen im Vertrauen sagen. Erstens: Den Kopf wird es diesen Jakobinergeneral nicht kosten. Zweitens: Ein Buonaparte ist keine Partie für eine Tochter des François Clary. Adieu, Bürgerin!« Polette begleitete mich ein Stück nach Hause. Sie plapperte wie ein Wasserfall. Rosa durchsichtige Seide. Die Tallien trägt angeblich fleischfarbene Seidenstrümpfe. Napoleone wird sich über den Kuchen freuen. Es sind Mandeln darin. Ob ich Mandeln gern habe. Bekommt Julie wirklich eine so große Mitgift, dass sie für sich und Joseph eine Villa kaufen kann? Wann ich mit Etienne über den Stoff sprechenwerde, und wann sie ins Geschäft kommen darf, um ihn zu holen …
Ich hörte ihr nicht richtig zu. Wie ein Reim ging es mir durch den Kopf: Ein Buonaparte ist keine Partie – für eine Tochter des François Clary. Als ich nach Hause kam, erfuhr ich, dass Julie ihren Willen durchgesetzt hat. Ihre Hochzeit wird nicht verschoben. Ich setzte mich zu ihr in den Garten und half ihr, Monogramme in Servietten zu sticken. Ein schön geschwungenes B.
B, B und wieder B.
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Marseille, Ende Fructidor.
(Mitte September).
I ch weiß nicht, wie Julie ihre Hochzeitsnacht verbracht hat. Auf jeden Fall war die Nacht vor ihrer Hochzeit schrecklich aufregend. Wenigstens für mich.
Julies Hochzeit sollte in aller Stille und nur im Kreise unserer Familie und der unzähligen Buonapartes gefeiert werden. Mama und Marie haben natürlich seit Tagen Torte gebacken und Fruchtcremes gerührt, und am Abend vor der Hochzeit war Mama einem Zusammenbruch nahe, weil sie Angst hatte, dass »es« nicht klappen könnte. Mama hat vor Festessen immer Angst, aber bisher hat immer alles geklappt. Es wurde beschlossen, dass alle früh schlafen gehen sollten, und vor dem Schlafengehen musste Julie noch ein Bad nehmen. Wir baden viel öfter als andere Leute, weil Papa so moderne Ideen hatte und Mama darauf schaut, dass wir in seinem Sinn weiterleben. Deshalb baden wir beinahe jeden Monat, und zwar in einer großen hölzernen Wanne, die Papa eigens für diesen Zweck in der Waschküche aufstellen ließ. Und weil es der Abend vor Julies Hochzeit war, schüttete Mama Jasminparfüm ins Badewasser, und Julie kam sich wie eine selige Madame Pompadour persönlich
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