Desperation
Cop zu tun.
Und ich hab einen Schlüssel. Ich glaube, daß er funktioniert.
Er sieht genauso aus wie der, den der Cop benutzt hat.«
»Ich bin überzeugt«, sagte Marinville, als wäre die Sache
damit erledigt. »Alle auf den Boden. Zähl bis fünf, David, und
dann los.«
»Wenn er das tut, ist er tot!« schrie Ralph Marinville wütend
an. »Sie riskieren das Leben meines Jungen, um ihren eigenen
Arsch zu retten!«
Mary sagte: »Ich verstehe Ihre Besorgnis, Mr. Carver, aber ich
glaube, wenn wir nicht hier rauskommen, sind wir alle tot.«
»Zähl bis fünf, David!« wiederholte Marinville. Er ließ sich
auf die Knie nieder und zwängte sich unter seine Pritsche.
Mary sah zur Tür, stellte fest, daß die Ausnüchterungszelle
direkt in der Schußlinie des Jungen lag und begriff, weshalb
David ihr gesagt hatte, sie solle auf die Seite seines Vaters gehen. Er mochte erst elf sein, aber er dachte gründlicher nach
ab sie.
»Eins«, sagte der Junge auf der anderen Seite der Tür. Sie
konnte die Angst in seiner Stimme hören, was sie ihm freilich
nicht /um Vorwurf machen konnte. Ganz und gar nicht.
»Zwei.«
»Junge!« rief Billingsley. »Hör mir zu, Junge! Geh auf die
Knie! Nimm die Waffe mit beiden Händen und bereite dich
darauf vor, nach oben zu schießen nach oben, Junge! Er wird
nicht auf dem Boden kommen, er wird dich anspringen! Hast
du verstanden?«
»Yeah«, sagte der Junge. »Yeah, okay. Bist du unter der Pritsche, Dad?«
Das war er nicht. Er stand immer noch an den Gitterstäben
seiner Zelle. Sein geschwollenes Gesicht, das zwischen den
weißgestrichenen Stäben schwebte, hatte einen ängstlichen,
verkniffenen Ausdruck. »Tu es nicht, David! Ich verbiete dir, es
zu tun!«
»Legen Sie sich hin, Sie Arschloch!« sagte Marinville. Er sah
Davids Vater unter der Pritsche hervor mit wütenden Blicken
an.
Mary war ganz Marinvilles Meinung, fand aber, daß seine 1
Technik zu wünschen übrig ließ
- von einem Schriftsteller
hätte sie mehr erwartet. Jedenfalls von einem anderen Schriftsteller; den hier hatte sie eingeordnet. Der Mann, der Die
Wonne geschrieben hatte, vielleicht das schmutzigste Buch
des Jahrhunderts, saß in der Zelle neben ihr, unglaublich, aber
wahr, und obwohl seine Nase aussah, als würde sie sich nie
wieder davon erholen, was der Cop ihr angetan hatte, legte
Marinville immer noch das Gebaren eines Mannes an den Tag,
der es gewohnt ist, daß er bekommt, was er will. Wahrscheinlich auf einem Silbertablett.
»Ist mein Dad aus dem Weg?« Nun hörte sich der Junge
nicht nur ängstlich, sondern auch unsicher an, und Mary
haßte seinen Vater für das, was er dem Jungen antat - an den
ohnehin überspannten Nerven des Jungen zu zupfen, als
wären es Gitarrensaiten.
»Nein!« bellte Ralph. »Und ich werde auch nicht aus dem
Weg gehen! Such ein Telefon! Ruf die State Cops!«
»Ich hab es mit dem auf Mr. Reeds Schreibtisch versucht«,
rief David zurück. »Es ist tot.«
»Dann such ein anderes! Verdammt, such weiter, bis du eins
findest, das -«
»Hören Sie mit den Dummheiten auf und legen Sie sich
unter Ihre Pritsche«, sagte Mary mit leiser Stimme zu ihm.
»Woran soll er sich erinnern, wenn er an den heutigen Tag
denkt, Mr. Carver. Daß er mitansehen mußte, wie seine
Schwester getötet wurde, und er aus Versehen seinen Vater erschossen hat, und das alles noch vor dem Abendessen? Helfen Sie uns! Ihr Sohn versucht es; versuchen Sie es
auch.«
Er sah sie mit seinen glänzenden blassen Wangen an, die
einen lebhaften Kontrast zu dem verkrusteten Blut auf seiner
linken Gesichtshälfte bildeten. »Ich habe nur noch ihn«, sagte
er niedergeschlagen. »Verstehen Sie das, Lady?«
»Natürlich verstehe ich das. Und jetzt gehen Sie unter Ihre
Pritsche, Mr. Carver.«
Ralph wich vom Gitter seiner Zelle zurück, zögerte, ließ
sich auf die Knie nieder und rutschte unter die Pritsche.
Mary sah zu der Zelle, aus der David sich herausgezwängt
hatte - Herrgott, das hatte Mut erfordert -, und sah, daß der
alte Tierarzt unter der Pritsche lag. Seine Augen, das einzig Jugendliche an ihm, glänzten im Schatten wie funkelnde blaue
Edelsteine.
»David!« rief Marinville. »Wir sind soweit!«
Die Stimme, die antwortete, wurde von Zweifeln gequält.
»Mein Dad auch?«
»Ich bin unter der Pritsche!« rief Ralph. »Junge, sei vorsichtig! Wenn -« Seine Stimme schwankte, dann klang sie wieder entschlossen: »Wenn er dich angreift, halt die Waffe fest
und versuch, ihm in den Bauch zu schießen.« Plötzlich
streckte er erschrocken
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