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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Hongkong Dieben zuteil wurde
- war die befriedigendste Variante, aber Mary
malte sich auch aus, wie sie die Spitze eines Pfennigabsatzes
in Deirdres flachen kleinen Schnittmusterarsch bohrte. Sie
würde alles tun, damit dieser bekiffte Niemand-zu-HauseBlick so lange aus Deirdres Augen verschwand, daß Mary
Zeit hatte, ihr ins Gesicht zu schreien: »DU BIST SCHULD,
DASS DEIN BRUDER STERBEN MUSSTE, DU DÄMLICHE
SCHNALLE, HAST DU KAPIERT?« und zu sehen, wie sie es
begriff.
»Gewalt erzeugt Gewalt«, sagte sie mit einer ruhigen,
schulmeisterlichen Stimme zu ihren Händen. Unter den
gegebenen Umständen kam es ihr vollkommen normal vor, mit
sich selbst zu sprechen. »Das weiß ich, jeder weiß es, aber
manchmal ist es so angenehm, daran zu denken.«
»Was?« fragte Ralph. Er hörte sich benommen an. Tatsächlich - grausamer Gedanke - klang er fast ein wenig wie der
wandelnde Kurzschluß, der sich ihre Schwägerin nannte.
»Nichts. Schon gut.«
Sie stand auf. Mit zwei Schritten erreichte sie das Gitter der
Zelle. Sie legte die Hände um die Stäbe und sah hinaus. Der
Kojote saß auf dem Boden, hatte die Fetzen von Johnny Marinvilles Lederjacke zwischen den Pfoten und sah den SchriftSteller wie hypnotisiert an.
»Glauben Sie, daß er entkommen ist?« fragte Ralph sie.
»Glauben Sie, mein Junge ist entkommen, Ma’am?«
»Nicht Ma’am, sondern Mary, und ic h weiß es nicht. Ich will es glauben, das kann ich Ihnen verraten, und ich finde, seine
Chancen stehen nicht schlecht.« Wenn er dem Cop nicht über den
Weg gelaufen ist, dachte sie bei sich.
»Ja, danke, das finde ich auch. Ich hatte keine Ahnung, daß
es ihm mit dem Beten so ernst ist«, sagte Ralph. Er hörte sich
fast an, als wollte er sich dafür entschuldigen, was Mary unter
den gegebenen Umständen befremdlich fand. »Ich hielt es
wahrscheinlich … ich weiß auch nicht… für eine vorübergehende Laune. So hat es aber sicher nicht ausgesehen, oder?«
»Nein«, stimmte Mary zu. »Hat es nicht.«
»Warum starrst du mich dauernd so an, Bello?« fragte
Marinville den Kojoten. »Du hast doch meine verdammte
Jacke, was willst du sonst noch? Als ob ich das nicht wüßte.«
Er sah Mary an. »Wissen Sie, ich glaube, wenn einer von uns
wirklich hier rauskäme, würde dieses räudige Vieh tatsächlich den Schwanz einklemmen und -«
»Psst!« sagte Billingsley. »Jemand kommt die Treppe rauf!«
Der Kojote hörte es auch. Er unterbrach den Blickkontakt
mit Marinville und drehte sich knurrend um. Die Schritte kamen näher, erreichten den Treppenabsatz und hörten auf.
Mary warf einen Blick auf Ralph Carver, konnte aber nicht
lange hinsehen; die Mischung aus Hoffnung und Angst in seinem Gesicht war zu schrecklich. Sie hatte ihren Mann verloren, was schlimmer weh tat, als sie es sich je hätte vorstellen
können. Wie mußte sich jemand fühlen, der mit ansehen
mußte, wie ihm an einem Nachmittag seine ganze Familie genommen wurde?
Der Wind schwoll an und pfiff heulend um die Dachrinnen.
Der Kojote sah nervös über die Schulter in die Richtung, aus
der das Geräusch kam, dann ging er mit zuckenden Zottelohren drei Schritte auf die Tür zu.
»Junge!« rief Ralph verzweifelt. »Junge, wenn du das bist,
komm nicht rein! Das Vieh steht direkt vor der Tür!«
»Wie nahe?« Er war es, der Junge. Wirklich und wahrhaftig.
Erstaunlich. Und die Selbstsicherheit in seiner Stimme war
noch erstaunlicher. Mary überlegte sich, ob sie die Macht des
Gebets nicht vielleicht neu bewerten sollte.
Ralph sah bestürzt drein, als hätte er die Frage nicht verstanden. Aber der Schriftsteller begriff. »Wahrscheinlich fünf
Schritte entfernt, er sieht sie direkt an. Sei vorsichtig.«
»Ich habe eine Waffe«, sagte der Junge. »Ich glaube, Sie sollten sich alle besser unter Ihre Pritschen legen. Mary, gehen Sie
so weit Sie können auf die Seite von meinem Dad rüber. Sind
Sie sicher, daß er direkt vor der Tür steht, Mr. Marinville?«
»Ja. In Lebensgröße und häßlich wie die Nacht steht er da,
mein Freund Bello. Junge - David - hast du schon mal mit
einer Waffe geschossen?«
»Nein.«
»O Moses.« Marinville verdrehte die Augen.
»David, nein!« rief Ralph. Verspätet nahm sein Gesicht
einen erschrockenen Ausdruck an; er schien eben erst begriffen zu haben, was hier vor sich ging. »Lauf und hol Hilfe!
Wenn du die Tür aufmachst, ist das Mistvieh mit zwei Sprüngen auf dir drauf!«
»Nein«, sagte der Junge. »Ich hab drüber nachgedacht, Dad,
und ich hab’s lieber mit dem Kojoten als mit dem

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