Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
ihrer Seite, klammerte die Hände zwischen den Schenkeln fest ineinander und versuchte, seiner Gefühle wieder Herr zu werden. Als er sich etwas beruhigt
hatte, stand er auf. Der Wind heulte, es war fast dunkel, und
der Sand prasselte gegen die Fensterscheiben, als würden zahlreiche Finger leise darauf trommeln. Er konnte ein schrilles,
monotones Quietschen hören Fiep-fiep-fiep -, mit dem sich etwas im Wind drehte, und er zuckte zusammen, als draußen etwas in der zunehmenden Dunkelheit polternd umfiel.
Er wandte sich vom Fenster ab und ging zögernd um den
Tresen herum. Er fand keine Leichen mehr, aber hinter dem
Schalter mit der Aufschrift STEUERVERWALTUNG waren
Unterlagen verstreut worden, und auf einigen sah er getrocknete Blutspritzer. Der Stuhl des Steuerbeamten - hohe Lehne,
lange Beine - war auch umgestürzt.
Hinter den Schaltern befand sich ein offener Tresor (David
sah weitere Papierstapel, aber kein Geld, und es schien nichts
durchwühlt worden zu sein). Rechts stand eine Gruppe von
Schreibtischen. Links befanden sich zwei geschlossene Türen,
beide mit goldenen Buchstaben. Die mit der Aufschrift FIRE
CHIEF interessierte ihn nicht, die andere, die zum Büro des
städtischen Sicherheitsbeauftragten führte, dagegen sehr. Jim
Reed, das war sein Name.
»Städtischer Sicherheitsbeauftragter, in einem größeren Kaff
würde man Polizeichef sagen«, murmelte David und ging zu der
Tür. Sie war nicht abgeschlossen. Er tastete wieder an der Wand,
fand den Lichtschalter und drückte drauf. Als das Licht anging,
sah er als erstes den riesigen Karibukopf an der Wand links vom
Schreibtisch. Als zweites den Mann hinter dem Schreibtisch.
Der Mann lag zurückgelehnt in seinem Bürostuhl. Er hätte
schlafen können, so entspannt wirkte seine Haltung, wären da
nicht die Kugelschreiber gewesen, die aus seinen Augen ragten, und das Schild, das in seinem Mund steckte. Die Hände
hatte er auf dem stattlichen Bauch gefaltet. Er trug ein Khakihemd und einen Gürtel quer über der Brust wie Entragian.
Draußen fiel wieder etwas um, worauf Kojoten einstimmig
zu heulen anfingen wie ein Quartett aus der Hölle. David
zuckte zusammen, dann sah er über die Schulter und vergewisserte sich, daß sich Entragian nicht an ihn heranschlich. Das
war nicht der Fall. David betrachtete wieder den Sicherheitsbeauftragten der Stadt. Er wußte, was er zu tun hatte, und dachte,
wenn er es über sich gebracht hatte, Törtchen zu berühren,
würde er wohl auch diesen Fremden berühren können.
Er griff zuerst zum Telefon. Er rechnete damit, daß die Leitung tot sein würde, und so war es. Trotzdem drückte er ein-,
zweimal auf die Gabel und sagte: »Hallo? Hallo?«
Zimmerservice, schicken Sie mir ein Zimmer rauf, dachte er und
schauderte, als er den Hörer wieder auflegte. Er ging um den
Schreibtisch herum und stellte sich neben den Cop mit den
Kugelschreibern in den Augen. Das Namensschild des toten
Mannes - JAMES REED, STÄDTISCHER SICHERHEITSBEAUFTRAGTER - stand noch auf seinem Schreibtisch, demnach war das in seinem Mund ein anderes. USTIG stand auf
dem Teil, der zwischen seinen Zähnen herausragte.
Dave konnte etwas riechen, das er kannte - kein Rasierwasser oder Eau de Cologne. Er betrachtete die gefalteten Hände
des toten Mannes, sah die tiefen Risse darin und begriff. Er
roch Handcreme, entweder dieselbe, die seine Mutter
benützte, oder eine ähnliche. Jim Reed mußte sich, kurz bevor er
getötet wurde, die Hände eingecremt haben.
David versuchte, in Reeds Schoß zu sehen, aber es gelang
ihm nicht. Der Mann war so dick und saß so dicht am Schreibtisch, daß David nicht sehen konnte, was er sehen mußte. Im
Zentrum der Rückenlehne befand sich ein kleines schwarzes
Loch, das er dagegen genau erkennen konnte. Reed war
erschossen worden; die Kugelschreiber hatte man ihm (hoffte
David) erst in die Augen gesteckt, als er schon tot war. Beeil dich. Schnell.
David wollte den Stuhl zurückziehen und schrie überrascht
auf, als dieser bei bloßer Berührung umkippte und Jim Reeds
Leichnam zu Boden fiel. Der Tote gab einen lauten, toten
Rülpser von sich, als er aufprallte. Das Schild flog ihm aus
dem Mund wie eine Rakete, die ihr Silo verließ. Sie landete
verkehrt herum, aber David konnte trotzdem sehen, was darauf stand: SCHLUSS MIT LUSTIG.
Davids Herz schlug heftiger denn je, als er neben dem
Leichnam auf die Knie sank. Reeds Uniformhose war am
Bund aufgeknöpft, der Reißverschluß offen, so daß man eine
eindeutig nicht

Weitere Kostenlose Bücher