Desperation
saß mit hoch erhobenem Kopf und leuchtenden Augen in dem jetzt leeren Zellentrakt am Schreibtisch. Draußen tobte eine Windbö nach der
anderen. In der Nähe erklang das Tapsen und Klickern von
Pfoten, die die Treppe heraufkamen. Vor der Tür verstummten sie. Ein hustendes Knurren ertönte. Dann wurde die Tür
von der Schnauze eines Pumas aufgestoßen. Das Tier war
groß für ein Weibchen - rund einen Meter achtzig von der
Schnauze bis zu den Hinterläufen, mit einem dicken, zuckenden Schwanz, der die Gesamtlänge noch einmal um neunzig
Zentimeter vermehrte.
Als das Tier zur Tür hereinkam und tief geduckt und mit
eng an den keilförmigen Kopf angelegten Ohren über den
Holzboden schlich, drang das Ding ein wenig tiefer in den
Kopf des Pumas ein, um ihn anzulocken und weil es spüren
wollte, was er empfand. Das Tier war ängstlich, es witterte die
Gerüche des Zimmers, fand aber in keinem Trost. Es handelte
sich um einen Menschenbau; das war ein Aspekt des Problems, aber längst nicht alles.
Der Puma roch eine Menge Gefahren hier. Zunächst einmal
Schießpulver; für den Puma war der Geruch abgefeuerter
Schußwaffen scharf und stechend. Dann war da der Geruch
der Angst, einer Mischung aus Schweiß und verbranntem
Gras gleich. Der Geruch von Blut war ebenfalls da - Kojotenblut und Menschenblut durcheinander. Und da war das Ding
auf dem Stuhl, das auf das Pumaweibchen herabsah, während es gegen seinen Willen darauf zuschlich, weil es nicht anders konnte. Es sah wie ein Menschenwesen aus, roch aber
nicht wie eines. Sein Geruch ähnelte überhaupt keinem, den
der Puma je gewittert hatte. Das Weibchen duckte sich zu
Füßen des Dings und gab einen tiefen, winselnden Klagelaut
von sich.
Das Ding in dem Overall stand auf, ließ sich auf Ellen Carvers Knie nieder, hob die Schnauze des Pumas und sah ihm in
die grünen Augen. Es sprach hastig in der anderen Sprache,
der Zunge der Ungeformten, und sagte dem Puma, wohin er
gehen, daß er auf den richtigen Zeitpunkt warten und was er
tun mußte, wenn dieser Zeitpunkt gekommen war. Sie waren
bewaffnet und würden das Tier wahrscheinlich töten, aber
vorher würde es seine Aufgabe erledigen.
Während das Ding sprach, rann Blut aus Ellens Nase. Es
spürte das Blut und wischte es weg. Blasen bildeten sich auf
Ellens Wangen und Hals.
»Na gut«, sagte es zu dem Puma. »Geh jetzt. Warte, bis es
Zeit ist. Ich werde mit dir lauschen.«
Der Puma stieß wieder sein tiefes Winseln aus, leckte mit
seiner rauhen Zunge über die Hand des Dings, das in Ellen
Carvers Körper steckte, machte kehrt und tapste aus dem
Zimmer.
Es nahm seinen Platz auf dem Stuhl wieder ein und lehnte
sich darin zurück. Es schloß Ellens Augen, lauschte dem unablässigen Prasseln des Sands an den Fenstern und ließ einen
Teil von sich mit dem Tier gehen.
Kapitel 2
1
»Sie hatten ein paar Tage Urlaub, haben Ihr Pferd gesattelt
und sind losgeritten«, sagte Steve. »Was dann?«
»Ich habe vier Tage in den Coppers verbracht. Ich habe geangelt, Fotos gemacht - Fotografieren ist mein Hobby. Es war
großartig. Vor drei Tagen kam ich dann zurück. Ich ging direkt
zu meinem Haus im Norden der Stadt.«
»Was hat Sie nach Hause getrieben?« fragte Steve. »Doch
nicht das aufziehende schlechte Wetter, oder?«
»Nein. Ich hatte mein kleines Radio dabei und hab nur
gehört, daß es schön und heiß bleibt.«
»Ich auch«, sagte Steve. »Diese Scheiße ist und bleibt ein
Rätsel.«
»Ich hatte ein Treffen mit Allen Symes vereinbart, dem
technischen Leiter des Betriebs, um den Wechsel von den
Sprenklern auf die Leitungen durchzusprechen. Er flog
eigens von Arizona herüber. Ich sollte mich um neun Uhr
in Hernando’s Hideaway mit ihm treffen, vorgestern morgen. So haben wir übrigens die Labors und die Anlage
am Ortsrand genannt. Egal, das ist jedenfalls der Grund,
warum ich dieses verdammte Kleid trage, wegen des Treffens und weil Frank Geller mir gesagt hat, daß Symes Frauen
in Jeans nicht ausstehen kann - konnte. Ich weiß, als ich von
meinem Campingausflug zurückkam, war alles in Ordnung, denn da hat Frank mich angerufen und mir gesagt,
daß ich ein Kleid zu dem Treffen anziehen soll. Am Abend,
so gegen sieben.«
»Wer ist Frank Geller?« fragte Steve.
»Der Chefingenieur«, sagte Billingsley. »Er ist verantwortlich für die Wiedereröffnung der China-Mine. War es jedenfalls.« Er sah Audrey fragend an.
Sie nickte. »Ja. Er ist tot.«
»Vor drei Tagen«, überlegte Marinville. »In Desperation war
vor drei Tagen alles in
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