Desperation
den Vorsitz über ein Thanksgiving Dinner
führt, während er in seiner Tüte kramte.
»Hier, Mary.« Er holte eine Dose Sardinen Marke Blue Fjord
Fancy heraus und gab sie ihr. »Der Öffner ist auf der Unterseite.«
»Danke, David.«
Er grinste. »Danken Sie Mr. Billingsleys Freund. Es ist sein
Essen, nicht meins.« Er gab ihr die Cracker. »Bitte weitergeben.«
»Nimm, was du brauchst, und laß den Rest stehen«, sagte
Johnny gefühlvoll. »So sagt man bei uns Freunden im Kreis…
richtig, Tom?«
Der Tierarzt warf ihm einen wäßrigen Blick zu, sagte aber
nichts.
David gab Steve und Cynthia je eine Dose Sardinen.
»Nein, Schatz, schon gut«, sagte Cynthia und wollte ihm
eine zurückgeben. »Ich und Steve können uns eine teilen.«
»Nicht nötig«, sagte David. »Es ist genug da. Ehrlich.«
Er gab Audrey eine Dose, dann Tom, dann Johnny. Johnny
drehte seine zweimal in den Händen herum, als wollte er sich
versichern, daß sie echt war, bevor er die Verpackung aufriß,
den Offner von der Unterseite losbrach und die Blechlasche
am Rand der Dose in ihn einführte. Er machte sie auf. Als er
den Fisch roch, überfiel ihn sofort ein heftiges Hungergefühl.
Wenn ihm jemand gesagt hätte, daß er mal so auf eine lumpige Dose Sardinen reagieren würde, hätte er gelacht.
Jemand klopfte ihm auf die Schulter. Es war Mary, die ihm
die Schachtel Cracker entgegenhielt. Sie sah beinahe ekstatisch aus. Öl lief ihr als glänzendes Rinnsal von einem Mundwinkel über das Kinn. »Nur zu«, sagte sie. »Auf Crackern
schmecken sie wunderbar. Wirklich!«
»Yep«, sagte Cynthia fröhlich, »alles schmeckt besser, wenn
es auf ‘nem Ritz sitzt, sag ich immer.«
Johnny nahm die Schachtel, sah hinein und stellte fest, daß
nur noch ein einziger Zylinder aus Wachspapier übrig war,
halbvoll. Er nahm drei der orangefarbenen Cracker. Sein
knurrender Magen reagierte empört auf diese Zurückhaltung, und Johnny mußte einfach noch mal drei nehmen, bevor
er die Schachtel an Billingsley weitergab. Ihre Blicke begegneten einander kurz, und er hörte den alten Mann sagen, daß
nicht einmal Houdini es so geschafft hätte. Wegen dem Kopf.
Dann war da das Telefon
- drei Sendebalken hatten aufgeleuchtet, als der Junge es in der Hand gehalten hatte, aber keiner, als es in seiner eigenen lag.
»Damit ist die Frage ein für allemal geklärt«, sagte Cynthia
mit vollem Mund. Sie hörte sich so an, wie Mary aussah. »Essen ist viel besser als Sex.«
Johnny sah David an. Er hockte kauend auf einer Lehne des
Sessels, in dem sein Vater saß. Ralphs Sardinendose stand ungeöffnet auf seinem Schoß, während der Mann weiter über
die Sitzreihen hinweg ins Leere starrte. David nahm zwei Sardinen aus seiner Dose, legte sie vorsichtig auf einen Cracker
und gab sie seinem Dad, der mechanisch zu kauen anfing, als
hätte er nur das Ziel, seinen Mund wieder leer zu bekommen.
Der Junge betrachtete ihn mit einer aufmerksamen, liebevollen Miene, die Johnny unbehaglich stimmte, denn es war, als
würde er Davids Privatsphäre verletzen. Er wandte den Blick
ab und sah die Schachtel Cracker auf dem Boden. Alle waren
emsig am Essen, und niemand schenkte Johnny besondere Beachtung, als er die Schachtel aufhob und hineinsah.
Sie hatte einmal die Runde gemacht, jeder hatte mindestens
sechs Cracker genommen (Billingsley vielleicht sogar noch
mehr; der alte Bock schaufelte sie förmlich in sich hinein), aber
der Wachspapierzylinder war noch da, und Johnny hätte
schwören können, daß er immer noch halbvoll war, daß die
Zahl der Cracker darin nicht abgenommen hatte.
4
Ralph schilderte das Schicksal der Familie Carver so präzise
er konnte, während er zwischendurch Sardinen aß. Er versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, wieder zu sich selbst
zu finden - mehr um Davids willen als um seinetwillen -, aber
es fiel ihm schwer. Er sah immer wieder Kirsty, die reglos am
Fuß der Treppe lag, sah Entragian, wie er Ellie am Arm durch
den Zellentrakt zerrte. Keine Sorge, David, ich komme wieder, hatte sie gesagt, aber Ralph, der im Verlauf ihrer vierzehnjährigen Ehe jede Nuance von Ellies Stimme zu deuten gelernt
hatte, war schon da der Meinung gewesen, daß sie sich aufgegeben hatte. Trotzdem war er es David schuldig, daß er versuchte, sich zusammenzureißen. Daß er von da zurückkam,
wohin ihn sein schockierter, überanstrengter und schuldbewußter - ja, auch das - Verstand führen wollte.
Aber es fiel ihm schwer.
Als er fertig war, sagte Audrey: »Okay, zumindest kein Aufstand des
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