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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sagte David, »und er
weiß, daß wir gehen können. Wegen dem Bund des Freien
Willens. So hat Reverend Martin es immer genannt. Er …
er …«
»David?« fragte Ralph. »Was ist? Was hast du?«
David zuckte die Achseln. »Nichts. Ist nicht wichtig. Wichtig ist, daß Gott uns nie dazu bringt, zu tun, was er will. Er sagt
es uns, das ist alles, und dann zieht er sich zurück und schaut
zu, wie sich alles entwickelt. Reverend Martins Frau ist reingekommen und hat eine Weile zugehört, als er von dem Bund
des Freien Willens gesprochen hat. Sie sagte, ihre Mutter hätte
einen Leitspruch gehabt: >Gott sagt, nimm, was du willst, und
bezahl dafür. < Tak hat die Tür zurück zum Highway 50 aufgemacht … aber es ist nicht unsere Bestimmung, dorthin zu gehen. Wenn wir gehen, wenn wir Desperation verlassen, ohne
zu tun, weswegen Gott uns hergeschickt hat, dann
müssen
wir den Preis dafür zahlen.«
Er betrachtete wieder den Kreis der Gesichter ringsum und
ließ den Blick wieder zuletzt auf Johnny Marinvilles Gesicht
ruhen.
»Ich werde bleiben, was immer auch passiert, aber damit es
funktioniert, müssen wir alle bleiben. Wir müssen unseren
Willen Gottes Willen unterordnen und müssen bereit sein, zu
sterben. Denn darauf könnte es hinauslaufen.«
»Du bist verrückt, mein Junge«, sagte Johnny. »Normalerweise gefällt mir das bei einem Menschen, aber das hier geht
selbst mir zu weit. Ich habe nicht so lange überlebt, um mich
jetzt erschießen oder von Geiern in der Wüste totpicken zu
lassen. Und was Gott angeht, für mich ist er damals, 1969, in
der entmilitarisierten Zone gestorben. Jimi Hendrix spielte
gerade >Purple Haze< im Radiosender der Streitkräfte.«
»Hören Sie sich den Rest an, okay? Werden Sie wenigstens
das tun?«
»Warum sollte ich?«
»Weil es eine Geschichte gibt.« David trank wieder Jolt und
verzog das Gesicht beim Schlucken. »Eine gute. Werden Sie
zuhören?«
»Ich habe dir gesagt, daß die Märchenstunde vorbei ist.«
David antwortete nicht.
Schweigen herrschte in dem kleinen Bus. Steve sah Johnny
eindringlich an. Sollte er auch nur eine Bewegung zur Hecktür des Ryder machen und versuchen, sie zu öffnen, würde
Steve ihn packen. Er wollte es nicht - er hatte viele Jahre in
der strengen Rock-Hierarchie hinter der Bühne gearbeitet
und wußte, wenn er das tun würde, würde er sich wie Fletcher Christian vorkommen, der gegen seinen Captain Bligh
meutert -, aber er würde es tun, wenn es sich nicht vermeiden
ließ.
Daher sah er voller Erleichterung, wie Johnny die Achseln
zuckte, lächelte, sich neben dem Jungen niederließ und sich
selbst eine Flasche Jolt aussuchte. »Okay, hiermit wird die
Märchenstunde verlängert. Nur heute abend.« Er raufte Davids Haar. Gerade das Berechnende dieser Geste verlieh ihr
einen seltsamen Charme. »Geschichten sind meine Achillesferse praktisch seit ich aus dem Laufstall raus bin. Ich will dir
aber gleich sagen, ich möchte, daß die hier mit den Worten
>Und alle lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Ende< aufhört.«
»Möchten wir das nicht alle«, sagte Cynthia.
»Ich glaube, der Mann, den ich getroffen habe, hat mir alles
gesagt«, sagte David, »aber einiges weiß ich immer noch
nicht. Manches ist verschwommen oder einfach schwarz.
Vielleicht, weil ich es nicht verstehen konnte oder nicht verstehen wollte.«
»Mach es, so gut du kannst«, sagte Ralph. »Das wird genügen.«
David sah in die Schatten hinauf und dachte nach
- sammelte sich, dachte Cynthia -, dann legte er los.
3
    »Billingsley hat die Legende erzählt, aber wie bei allen Legenden, schätze ich, war fast alles falsch. Zuerst einmal wurde
der China-Schacht nicht durch einen Einsturz geschlossen.
Die Mine wurde absichtlich gesprengt. Und es geschah auch
nicht 1858, obwohl in dem Jahr tatsächlich die ersten chinesischen Arbeiter eingesetzt wurden, sondern im September
1859. Nicht vierzig Chinesen waren unten, als es geschah, sondern siebenundfünfzig, nicht zwei weiße Männer,
sondern
vier. Alles in allem einundsechzig Menschen. Und die Strecke
war nicht fünfundvierzig Meter tief, wie Billingsley gesagt
hat, sondern mehr als sechzig. Können Sie sich das vorstellen?
Sechzig Meter tief in Hornfels, der jeden Moment über ihnen
zusammenbrechen konnte.«
Der Junge machte die Augen zu. Er sah unglaublich zierlich
aus, wie ein Kind, das gerade begonnen hat, sich von einer
schrecklichen Krankheit zu erholen, und jeden Moment einen
Rückfall haben kann. Teilweise mochte dieser Eindruck auf
den

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