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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nah
dran.«
»Wo sind Sie zu Hause?«
»Bakersfield. Dabei fällt mir ein, wie weit fahren Sie eigentlich?«
»San Francisco. Aber -«
Sie strahlte. »Ist das ein Witz? He, das ist toll!«
»Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, daß ich Sie so weit
mitnehme. Ich kann ihnen noch nicht mal versprechen, daß ich
Sie weiter als bis nach Austin mitnehmen kann - dem in Nevada, Sie wissen schon, nicht dem in Texas.«
»Ich weiß, wo Austin liegt, ic h habe eine Karte«, sagte sie
und nun bedachte sie ihn mit einem Dummer-großer-BruderBlick, der ihm noch besser gefiel als ihre Miss-Rührmichnicht-an-Miene mit den großen Augen. Sie war ein süßes
Ding … und würde sie nicht darauf abfahren, wenn er ihr das sagen würde?
»Ich nehme Sie mit, so weit ich kann, aber dieser Job ist ein
bißchen schräg. Ich meine, alle Jobs sind ein bißchen schräg,
das Showbusineß ist von Hause aus schräg, und dies hier ist Showbusineß … nehme ich jedenfalls an … aber … ich
meine…«
Er verstummte. Was genau wollte er sagen? Sein Engagement
als Roadie eines Schriftstellers (eine unangemessene Bezeichnung, um das zu wissen, mußte man nicht selbst Schriftsteller
sein, aber eine bessere fiel ihm nicht ein) war fast zu Ende, und
er wußte immer noch nicht, was er davon halten sollte, oder
von Johnny Marinville selbst. Er wußte nur, daß der große
Mann ihn nicht gebeten hatte, Stoff oder Frauen zu beschaffen,
und daß er nie nach Whiskey gerochen und blutunterlaufene
Augen gehabt hatte, wenn Steve an seine Hoteltür klopfte. Im
Augenblick kam das hin. Er konnte sich später bei seinem Abschlußbericht noch überlegen, wie er sich selbst nennen wollte.
»Was ist es denn für ein Job?« fragte sie. »Ich meine, das hier
ist nicht groß genug für den Lastwagen einer Band. Sind Sie
diesmal mit einem Folkie auf Tour? Gordon Lightfoot oder so
jemand?«
Steve grinste. »Mein Typ ist eine Art Folkie, nur spielt er mit
dem Mund statt mit einer Gitarre oder Harmonika. Er -«
In diesem Augenblick stieß das Handy am Armaturenbrett
seinen durchdringenden, seltsam näselnden Ruf aus: Hmiep!
Hmiep! Steve nahm es vom Armaturenbrett, klappte es aber
nicht gleich auf. Statt dessen sah er das Mädchen an. »Sagen
Sie kein Wort«, bat er sie, während das Telefon in seiner Hand
zum drittenmal hmiepte. »Falls doch, könnten Sie mich in
Schwierigkeiten bringen, ‘kay?«
Hmiep! Hmiep!
Sie nickte. Steve klappte die Sprechmuschel des Telefons
auf und drückte SEND auf der Tastatur; auf diese Weise nahm
man einen Anruf entgegen. Als er den Hörer ans Ohr hielt, bemerkte er als erstes, wie stark das Rauschen war - es war erstaunlich, daß der Anruf überhaupt durchgekommen war.
»Hallo, sind Sie das, Boß?«
Hinter dem Rauschen war ein tieferes, gleichmäßigeres
Brummen zu hören - das Geräusch eines Lastwagens, der
vorüberfuhr, dachte Steve
-, und dann Marinvilles Stimme.
Steve konnte trotz des statischen Rauschens Panik heraushören, und sein Herz schlug schneller. Er hatte schon früher
Leute in diesem Tonfall reden hören (scheinbar passierte so etwas mindestens einmal während jeder Rocktournee), daher
erkannte er ihn sofort. An Johnny Marinvilles Ende der Leitung war irgendeine Kacke ganz gehörig am Dampfen.
»Steve! Steve, ich … keiten … großen…«
Er sah auf die Straße, die schnurgerade in die Wüste führte,
und spürte, wie sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Er dachte an den pummeligen kleinen Agenten des
Bosses, mit seinen »Du sollst nicht« und seiner einschüchternden, unverschämten Stimme, dann verdrängte er das alles.
Daß Bill Harris sein Denken verstopfte, konnte er jetzt als
allerletztes gebrauchen.
»Hatten Sie einen Unfall? Ist es das? Was ist mit Ihnen? Bitte
wiederholen!«
Knister, zischel, knister.
»Johnny… mich hören?«
»Ja, ich höre Sie!« Jetzt brüllte er in das Telefon, obwohl er
wußte, daß es vollkommen nutzlos war. Aus dem Augenwinkel sah er, daß ihn das Mädchen mit wachsender Besorgnis
musterte. »Was ist mit Ihnen? »
Keine Antwort. So lange keine Antwort, daß er diesmal
ganz sicher war, er hätte Marinville verloren. Er nahm den
Hörer gerade vom Ohr, als die Stimme des Bosses wieder ertönte, unvorstellbar weit entfernt, wie eine Stimme aus einer
anderen Galaxie: »west… Ely … ünftig.«
Nein, nicht ünftig, dachte Steve, nicht ünftig, sondern ünfzig,
wie in fünfzig. »Ich bin westlich von Ely auf dem Highway 50.« Vielleicht. Vielleicht hat er ans gesagt. Unfall.

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