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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Lubbock, hatte auch eine Aufgabe zu erfüllen; seine
bestand darin, zu gewährleisten, daß Marinville sein Buch mit
dem PC schreiben konnte, und nicht mit dem Ouija-Brett. Sein
Patentrezept, mit dem er das bewerkstelligen wollte, war
denkbar einfach: Bleib in der Nähe und laß die Situation nicht
außer Kontrolle geraten, es sei denn, es läßt sich unmöglich
vermeiden. Er fuhr siebzig Meilen hinter ihm statt hundertfünfzig, aber was der Boss nicht wußte, machte ihn nicht heiß.
»Ich schätze, ich kann’s mit Ihnen versuchen«, sagte sie,
sprang in die Kabine und schlug die Tür zu.
»Schönen Dank, Rehlein«, sagte er. »Ihr Vertrauen ehrt
mich.« Er schaute in den Rückspiegel, sah nur den Arsch von
Ely, und fuhr wieder auf die Straße.
»Nennen Sie mich nicht so«, sagte sie. »Das ist sexistisch.« »Rehlein ist sexistisch? Ich bitte Sie.«
Mit einer spröden, leisen, aber bestimmten Stimme sagte
sie: »Nennen Sie mich nicht Rehlein, dann nenne ich Sie nicht
Böckchen.«
Er prustete vor Lachen. Wahrscheinlich gefiel ihr das nicht,
aber er konnte nicht anders. So war das nun mal mit dem Lachen, in gewisser Weise wie mit dem Furzen: Manchmal
konnte man es unterdrücken, aber in den meisten Fällen nicht.
Er sah sie an und stellte fest, daß sie auch ein bißchen lachte
- und ihren Rucksack abstreifte -, also war es wohl nicht so
schlimm. Er schätzte sie auf einsfünfundsechzig, und sie war
spindeldürr - höchstens fünfundvierzig Kilo, wahrscheinlich
eher dreiundvierzig. Sie trug eine Bluse mit abgerissenen Armem. Das ließ einen schrecklich großzügigen Einblick auf ihre
Brüste zu, wenn man davon ausging, daß sie ein Mädchen
war, das Angst hatte, Ted Bundy in einem Ryder zu treffen.
Nicht, daß es da oben viel zu sehen gegeben hätte; Steve vermutete, daß sie immer noch in der Kinderabteilung des Wäschegeschäfts einkaufen konnte, wenn sie wollte. Auf dem T-Shirt grinste ein Farbiger mit Dreadlocks aus einem blaugrünen psychedelischen Sonnenaufgang heraus. Um seinen Kopf
trug er einen Heiligenschein aus den Worten: NOT GONNA
GIVE IT UP!
»Sie scheinen Peter Tosh zu mögen«, sagte sie. »An meinen
Titten kann es nicht liegen.«
»Ich hab mal mit Peter Tosh gearbeitet«, antwortete er.
»Ist nicht wahr!«
»Wohl wahr«, sagte er. Er sah in den Rückspiegel und
stellte fest, daß Ely schon nicht mehr zu sehen war. Unheimlich, wie schnell das hier draußen ging. Er dachte
sich, wenn er eine junge Tramperin wäre, würde er auch
die eine oder andere Frage stellen, bevor er so mir nichts,
dir nichts zu jemandem ins Auto oder in den Lastwagen
sprang. Es nützte vielleicht nichts, konnte aber auf jeden Fall nicht schaden. Denn wenn man erst einmal draußen in der Wüste war, konnte einem alles mögliche zustoßen.
»Wann haben Sie mit Peter Tosh gearbeitet?«
»1980 oder ‘81«, sagte er. »Ich weiß es nicht mehr genau.
Madison Square Garden, dann in Forest Hills. Dylan hat in Forest Hills die Zugabe mit ihm gespielt. >Blowin’ in the Wind<,
wenn Sie sich das vorstellen können.«
Sie sah ihn mit unverhohlenem Staunen an, ohne - soweit er
erkennen konnte - den Schatten eines Zweifels. »Mann, cool!
Was waren Sie, ein Roadie?«
»Damals ja. Später war ich Gitarrentechniker. Jetzt bin
ich …« Ja, das war ein guter Anfang, aber was genau war er
heute? Kein Gitarrentechniker, so viel stand fest. Quasi wieder zum Roadie degradiert. Und außerdem Aushilfspsychiater. Und eine Art Mary Poppins, nur mit langen, braunen Hippie-Haaren, die in der Mitte erste graue Strähnen bekamen.
»Jetzt bin ich was anderes. Wie heißen Sie?«
»Cynthia Smith«, sagte sie und streckte die Hand aus.
Er nahm und schüttelte sie. Ihre Hand fühlte sich in seiner
lang, federleicht und unvorstellbar zierlich an. Als würde er
einem Vogel die Hand schütteln. »Ich bin Steve Ames.«
»Aus Texas.«
»Ja, Lubbock. Wahrscheinlich haben Sie den Akzent schon
mal gehört, ja?«
»Ein- oder zweimal.« Ihr ausgelassenes Grinsen brachte ihr
ganzes Gesicht zum Strahlen. »Man kann den Jungen aus Texas rausholen, aber -«
Er stimmte in den Rest des Spruchs ein, und sie sahen einander grinsend an und waren schon Freunde - wie Menschen
eben nur Freunde werden können, für kurze Zeit, wenn sie
sich zufällig auf amerikanischen Nebenstraßen treffen, die
durch einsame Landstriche führen.
3
    Cynthia Smith war eindeutig exzentrisch, aber was exzentrisches Benehmen anging, war Steve selbst ein Veteran; man
konnte nicht sein Leben lang in der

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