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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Musikbranche arbeiten,
ohne exzentrisch zu werden, daher störte es ihn nicht weiter.
Sie sagte ihm, daß sie guten Grund hätte, sich vor Typen in
acht zu nehmen; einer hatte ihr beinahe das linke Ohr abgerissen, und ein anderer hatte ihr vor nicht allzu langer
Zeit
die Nase gebrochen. »Und der mit dem Ohr war ein Kerl, den ich gemocht habe«, fügte sie hinzu. »Was das Ohr angeht,
bin ich empfindlich. Die Nase, ich finde, die Nase hat Charakter, aber mit dem Ohr bin ich empfindlich, Gott weiß
warum.«
Er betrachtete ihr Ohr. »Nun, es ist oben ein wenig flach,
schätze ich, na und? Wenn Sie wirklich so empfindlich sind,
könnten Sie Ihr Haar wachsen lassen und es überdecken, wissen Sie.«
»Auf gar keinen Fall«, sagte sie nachdrücklich, zerzauste
sich das Haar und beugte sich kurz nach rechts, damit sie sich
im Seitenspiegel betrachten konnte. Die Hälfte auf Steves
Seite war grün; die andere Hälfte orange. »Meine Freundin
Gert sagt, daß ich ein bißchen wie Orphan Annie aus der
Hölle aussehe. Das ist zu cool, um was dran zu ändern.«
»Also keine hübschen Löckchen, hm?«
Sie lächelte, klopfte auf ihr T-Shirt und machte den jamaikanischen Akzent ganz passabel nach: »Ich geh mein’ eig’nen
Weg - genau wie Peter, Mom!«
Cynthia Smith war im Alter von siebzehn Jahren aus dem Elternhaus und vor der ständigen Mißbilligung ihrer Eltern davongelaufen. Sie hatte kurze Zeit an der Ostküste verbracht
(»Ich bin gegangen, als mir klar wurde, daß ich auf dem besten
Weg war, eine beschissene Almosenempfängerin zu werden-<,
sagte sie nüchtern) und war danach in den Mittelwesten
zurückgereist, wo sie »irgendwie fast trocken« geworden war
und einen gutaussehenden Jungen bei den AA kennengelernt
hatte. Der gutaussehende Junge hatte behauptet, er sei völlig trocken, aber er hatte gelogen. O Mann, und wie er gelogen
hatte. Cynthia war trotzdem zu ihm gezogen, ein schwerer Fehler (»Ich habe noch nie einen guten Riecher gehabt, was Männer
angeht«, sagte sie in demselben nüchternen Tonfall zu Steve).
Eines Nachts war der gutaussehende Junge high auf Crystal
Meth nach Hause gekommen und hatte offenbar beschlossen,
daß er ihr Ohr als Lesezeichen haben wollte. Sie war in ein Frauenhaus gegangen, war ein bißchen mehr als fast trocken geworden und hatte sogar eine Zeitlang als Beraterin dort gearbeitet,
nachdem die Leiterin ermordet worden war und es ausgesehen
hatte, als müßte das Haus zumachen. »Der Typ, der Anna ermordet hat, hat mir auch die Nase gebrochen«, sagte sie. »Er
war ein gemeiner Kerl. Pete - der mein Ohr als Lesezeichen
wollte -, war nur cholerisch. Norman war schlimm. Verrückt.«
»Hat man ihn geschnappt?«
Cynthia schüttelte ernst den Kopf. »Jedenfalls konnten wir
D & S nicht vor die Hunde gehen lassen, nur weil ein Typ
durchgedreht hat, als seine Frau ihn verlassen hatte, daher haben wir alle an einem Strang gezogen, um es zu retten. Und
das haben wir auch geschafft.«
»D & S?«
»Das bedeutet Daughters and Sisters. Ich habe viel von meinem Selbstvertrauen wiederbekommen, während ich dort
war.« Sie betrachtete die Wüste durch das Fenster und strich
mit dem Daumenballen geistesabwesend über ihren schiefen
Nasenrücken. »In gewisser Weise hat mir der Typ sogar geholfen, der das getan hat.«
»Norman.«
»Jawoll, Norman Daniels, so hieß er. Jedenfalls haben ich
und Gert - sie ist meine Freundin, die, die meint, daß ich wie
Orphan Annie aus der Hölle aussehe - uns dem Kerl entgegengestellt, wissen Sie?«
»Hm-hmm.«
»Und so hab ich letzten Monat endlich meinen Eltern geschrieben. Und ich habe meine Adresse angegeben. Ich dachte
mir, wenn sie darauf antworten - falls sie es je tun - werden sie
rechtschaffen sauer sein, besonders mein Dad. Er war Pfarrer.
Jetzt ist er im Ruhestand, aber …«
»Man kann den Jungen aus dem Höllenfeuer holen, aber
nicht das Höllenfeuer aus dem Jungen«, sagte Steve,
Sie lächelte. »Ja, das ist so ungefähr, was ich erwartet hab,
aber der Brief, den ich als Antwort bekam, war ziemlich
prima. Ich hab sie angerufen. Wir haben uns unterhalten.
Mein Dad hat geweint.« Das sagte sie mit einem Anflug von
Staunen. »Ich meine, echt geweint. Können Sie sich das vorstellen?«
»He, ich war acht Monate mit Black Sabbath auf Tour«,
sagte Steve. »Ich kann alles glauben. Sie wollen also nach
Hause, hm? Rückkehr des verlorenen Rehleins?« Sie funkelte
ihn an. Er grinste sie an. »Tut mir leid.«
»Das glaub ich Ihnen aufs Wort. Jedenfalls sind Sie

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