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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und blieb dann reglos liegen.
»Mann«, sagte der Cop. »Was für eine verdammte Schweinerei, was?«
»Ja, Sie haben ihn getötet«, sagte Johnny. Plötzlich lag ihm
nichts mehr daran, den Mann bei Laune zu halten und ihn zu
überleben. Es war ihm egal, was mit seinem Buch oder seiner
Harley passierte oder wo Steve Ames sich rumtreiben mochte.
Später - wenn es ein Später gab - wäre es ihm vielleic ht nicht
mehr egal, aber im Moment war es das. In seinem Schock und
seinem Schrecken hatte sich eine frühere Version seiner Persönlichkeit von irgendwo im Inneren zurückgemeldet; eine
unlektorierte Fassung von Johnny Marinville, der es scheißegal war, ob er den Pulitzer-Preis oder den National Book
Award bekam oder Schauspielerinnen fickte, mit oder ohne
Smaragde. »Sie haben ihn auf offener Straße überfahren wie
ein verdammtes Kaninchen. Tapferer Junge!«
Der Cop drehte sich zu ihm um, sah ihn mit seinem guten
Auge nachdenklich an und wandte sich wieder der Windschutzscheibe zu. »>Ich habe dich den Weg der Weisheit gelehrt<«, sagte er. »>Ich habe dich auf die rechten Pfade geführt.
Wenn du gehst, sollen deine Schritte nicht behindert werden;
und wenn du läufst, sollst du nicht stolpern. < Das stammt aus
dem Buch der Adverbien, John. Aber ich glaube, der alte Billy
ist gestolpert. Ja, so ist es. Er hat immer zwei linke Füße gehabt. Ich glaube, das war sein Hauptproblem.«
Johnny machte den Mund auf. Es war eine der wenigen
Gelegenheiten in seinem ganzen Leben, wo nichts herauskam. Vielleicht war das auch nicht schlecht.
»>Halte die Anweisungen fest; laß sie nicht los; bewahre sie;
sie sind dein Leben. < Das ist ein kleiner Rat, den Sie beherzigen sollten, Mr. Marinville, Sir. Entschuldigen Sie mich einen
Augenblick.«
Er stieg aus, ging zu dem toten Mann auf der Straße, und
seine Stiefel schienen zu flimmern, als der zunehmende Wind
Sand darüber wehte. Auf dem Hosenboden seiner Uniform
war ein großer Blutfleck zu sehen, und als er sich bückte, um
den verstorbenen Billy Rancourt aufzuheben, konnte Johnny
Blut aus den aufgeplatzten Nähten unter den Armen des Cops
quellen sehen, als würde er buchstäblich Blut schwitzen. Vielleicht ist das so. Wahrscheinlich ist es so. Ich glaube, er ist
kurz davor, zusammenzubrechen und zu verbluten, wie es bei Hämophilen manchmal vorkommt. Wenn er nicht so verflixt groß
wäre, wäre er wahrscheinlich längst tot. Du weißt, was du zu tun
hast, oder nicht?
Ja, natürlich wußte er es. Er hatte ein unbeherrschtes Temperament, ein schreckliches Temperament, und daran schien
nicht einmal die Tatsache etwas zu ändern, daß ihn ein
mordlüsterner Irrer windelweich geprügelt hatte. Er mußte
nur sein Temperament beherrschen. Kein Sarkasmus mehr.
Keine Sticheleien mehr wie beispielsweise gerade eben den
Cop einen tapferen Jungen zu nennen. Das hatte ihm einen
Blick eingetragen, der Johnny gar nicht gefallen hatte. Einen gefährlichen Blick.
Der Cop trug Billy Rancourts Leichnam über die Straße und
trat dabei zwischen die beiden umgestürzten Fahrräder und
ging an dem vorbei, dessen Räder sich noch drehten und dessen Speichen im Abendlicht funkelten. Er stapfte über das umgestürzte Stück des Lattenzauns, ging die Treppe des blauen
Hauses hinauf und verlagerte seine Last so, daß er am Türgriff
drehen konnte. Die Tür ging mühelos auf, was Johnny nicht
überraschte. Er nahm an, daß sich die Leute hier draußen in der
Regel nicht die Mühe machten, ihre Türen abzuschließen. Er muß die Leute da drinnen töten, dachte Johnny. Das Hegt auf
der Hand.
Aber der Cop bückte sich nur, lud seine Last ab und trat
wieder auf die kleine Veranda heraus. Er machte die Tür zu
und strich mit den Händen oben darüber, so daß Blutschlieren
auf dem Türsturz zurückblieben. Dazu mußte er sich nicht
einmal strecken, so groß war er. Die Geste verschaffte Johnny
eine Gänsehaut - sie war wie etwas aus dem zweiten Buch
Mose, eine Anweisung für den Todesengel, dieses Haus zu
verschonen … nur daß dieser Mann der Todesengel war. Der Cop kam zum Streifenwagen zurück, stieg ein und fuhr
in aller Seelenruhe wieder zur Kreuzung zurück.
»Warum haben Sie ihn in dieses Haus gebracht?« fragte
Johnny.
»Was hätte ich Ihrer Meinung nach denn mit ihm machen sollen!« fragte der Cop. Seine Stimme klang belegter denn je;
er schien seine Worte beinahe zu gurgeln. »Ihn den Geiern
überlassen? Schämen Sie sich, mon Capitan. Sie haben so lange
mit sogenannten zivilisierten Menschen

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