Desperation
meinem Leben schon
Schlimmeres gesehen habe als einen Schwanz, aus dem Blut tropft.
Und nicht nur in Vietnam.
Er stellte fest, daß sich die Wut wieder einstellte und drohte,
ihn zu übermannen. O Scheiße, natürlich war das so. Wut war
stets seine schlimmste Sucht gewesen, nicht Whiskey oder
Kokain oder Quaaludes. Reine Wut. Es hatte nichts mit dem
zu tun, was der Cop aus seiner Hose geholt hatte, und möglicherweise verstand der Bursche genau das nicht. Es ging nicht
um Sex. Johnny Marinville hatte es nie leiden können, wenn
ihm irgendwas ins Gesicht gesteckt wurde.
»Ich werde mich vor Ihnen hinknien, wenn Sie wollen«,
sagte er, und obwohl er es mit sanfter Stimme sagte, veränderte sich der Gesichtsausdruck des Cops
- zum erstenmal
veränderte er sich richtig. Er wurde irgendwie leer, abgesehen
von dem gesunden Auge, das argwöhnisch zusammengekniffen wurde.
»Warum sehen Sie mich so an? Was, zum Teufel, gibt Ihnen
das Recht, mich so anzusehen? Tak!«
»Vergessen Sie, wie ich Sie ansehe. Hören Sie mich nur an,
Sie Wichser: Drei Sekunden, nachdem ich Ihre Hosenratte in
den Mund genommen habe, wird sie auf dem Bürgersteig liegen. Kapiert? Tak!«
Das letzte Wort spie er dem Cop förmlich ins Gesicht, wozu
er sich auf die Zehenspitzen stellen mußte, und einen Augenblick sah der große Mann mehr als nur überrascht - er sah
schockiert aus. Dann zog sich der Ausdruck zu einem Wutkrampf zusammen, und er stieß Johnny so heftig von sich,
daß dieser einen Moment glaubte, er würde fliegen. Er prallte
gegen die Fassade des Gebäudes, sah Sterne, als sein Hinterkopf gegen den harten Stein stieß, prallte ab und kippte um,
als er über seine eigenen Beine stolperte. Er verspürte an
neuen Stellen Schmerzen, während sie in den alten loderten,
aber für den Gesichtsausdruck des Cops hatte es sich gelohnt.
Er schaute auf, um festzustellen, ob der Ausdruck noch da
war, wollte ihn noch einmal auskosten wie eine Biene das
süße Herz einer Blume, und sein Herzschlag stockte ihm in
der Brust.
Das Gesicht des Cops hatte sich zusammengezogen. Die
Haut sah jetzt wie Schminke aus, wie eine dünne Farbschicht
- unwirklich. Sogar das blutunterlaufene Auge sah unwirklich aus. Es war, als wäre ein anderes Gesicht unter dem verborgen, das Johnny sehen konnte, das gegen das Fleisch darüber drückte und hinaus wollte.
Das gesunde Auge des Cops sah ihn einen Moment starr an,
dann hob er den Kopf. Er zeigte mit allen vier Fingern der linken Hand himmelwärts. »Tak ah lah«, sagte er mit seiner kehligen, gurgelnden Stimme. »Timoh. Can de lach! On! On!« Ein flatterndes Geräusch ertönte, wie von Kleidungsstücken auf einer Wäscheleine, und ein Schatten fiel über
Johnnys Gesicht. Ein rauher Schrei ertönte, nicht ganz ein
Kreischen, und dann stieß etwas mit schorfigen, schlagenden
Rügein auf Johnny herab, vergrub gekrümmte Klauen in seinen Schultern, durchbohrte damit den Stoff seines Hemds
und schlug den Schnabel in seine Kopfhaut, während es erneut den unmenschlichen Schrei ausstieß.
Der Geruch verriet Johnny, was es war
- ein Geruch von
Fleisch, in dem das Fieber der Fäulnis wütete. Die großen, ungepflegten Schwingen klatschten gegen Johnnys Gesicht, als
es fester zupackte, ihm diesen Geruch in Mund und Nase
trieb, ihn buchstäblich derart hineinrammte, daß er würgen
mußte. Er sah den Schäferhund vor sich, der an seinem Strick
baumelte, während die nackten Vögel, die wie gerupft aussahen, sich an ihm gütlich taten und mit den Schnäbeln an seinem Schwanz und seinen Pfoten zerrten. Jetzt fiel einer davon
über ihn selbst her - einer, der offenbar noch nie davon gehört
hatte, daß Geier im Grunde genommen Feiglinge waren und
nur über Aas herfielen - und pflügte mit dem Schnabel Furchen in seine Kopfhaut, so daß Blut floß.
»Nehmen Sie ihn weg!« schrie er völlig entsetzt. Er versuchte,
die ausladenden, schlagenden Schwingen zu packen, bekam
aber nur zwei Handvoll Federn zu fassen. Er konnte auch
nichts sehen; er hatte Angst, wenn er die Augen aufschlug,
würde der Geier seine Haltung verändern und sie auspicken. »Herrgott, bitte, bitte, nehmen Sie ihn weg!«
»Werden Sie mich höflich ansehen, wenn ich es tue?« fragte
der Cop. »Keine Frechheiten mehr? Keine Respektlosigkeit?« »Nein! Nicht mehr!« Er hätte alles versprochen. Was immer
ihn veranlaßt hatte, dem Cop die Stirn zu bieten, war
verschwunden; der Vogel hatte es herausgezogen wie einen
Wurm aus einem Maiskolben.
»Versprochen?«
Der Vogel
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