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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fragte er und bemühte sich um
einen neutralen Tonfall.
»Gefängnis«, sagte der Cop mit seiner erstickten, röchelnden Stimme. »Wo alles, was Sie klagen, gegen Sie verschwendet wird.« Sie kamen an einem Campingplatz vorbei. Johnny
sah ein Schild vor einem rostigen Wohnwagen mit schiefem
Dach, auf dem stand:
    ICH BIN EIN SCHWERBEWAFFNETER,
SCHNAPSTRINKENDER, BIBELFESTER,
UNRUHESTIFTENDER, CLINTON-HASSENDER
HURENSOHN!
VERGISS DEN HUND, HÜTE DICH VOR
SEINEM HERRCHEN!
    Willkommen in der Country-Musik-Hölle, dachte Johnny.
Er beugte sich nach vorne und verzog das Gesicht wegen
der Schmerzen im Rücken, wo der Cop ihn getreten hatte. »Sie
brauchen Hilfe«, sagte er. Er bemühte sich, es nicht vorwurfsvoll zu sagen, sogar sanft. »Wissen Sie das, Officer?«
»Sie sind derjenige, der Hilfe braucht«, entgegnete der Cop.
»Seelisch, ärztlich, redaktionell. Tak! Aber es wird keine Hilfe
kommen, Johnny. Sie haben Ihr letztes literarisches Dinner gegessen und Ihre letzte Kulturfotze gefickt. Sie sind allein in
der Wildnis, und dies werden die längsten vierzig Tage und
vierzig Nächte Ihres ganzen nutzlosen Lebens werden.«
Die Worte hallten in Johnnys Kopf wie das Läuten einer gesprungenen Glocke. Er machte einen Moment die Augen zu
und schlug sie wieder auf. Inzwischen befanden sie sich in der
Stadt, passierten Gails Schönheitssalon auf der einen und
Trustworthy Hardware auf der anderen Seite. Es war niemand
auf den Bürgersteigen unterwegs
- keine Menschenseele. Er
hatte noch nie eine Kleinstadt im Mittelwesten gesehen, wo Betriebsamkeit geherrscht hätte, aber das war lächerlich. Niemand? Überhaupt niemand? Als sie an der Conoco-Tankstelle
vorbeikamen, sah er einen Mann im Inneren, der zurückgelehnt in seinem Sessel saß und die Füße auf den Tisch gelegt
hatte, aber das war alles. Außer … weiter vorne …
Zwei Tiere trotteten auf einer Diagonale träge unter der
Ampel her über die scheinbar einzige Kreuzung der Stadt.
Johnny versuchte sich einzureden, daß es Hunde wären, aber
es waren keine Hunde. Es waren Kojoten.
Es ist nicht nur dieser Cop, Johnny, komm bloß nicht auf den Gedanken. Hier geht etwas vor sich, das nicht normal ist. Ganz und
gar nicht normal.
Als sie die Kreuzung erreichten, trat der Cop auf die Bremse. Johnny, der nicht damit gerechnet hatte, wurde nach vorne
gegen das Gitter zwischen Vorder- und Rücksitz geschleudert. Er schlug sich die Nase an und heulte vor Schmerzen
überrascht auf.
Der Cop beachtete ihn gar nicht. »Billy Rancourt!« schrie er
entzückt. »Verdammt, das ist Billy Rancourt! Ich hab mich
schon gefragt, wo er sich verkrochen haben könnte! Besoffen
im Keller des Broken Drum, jede Wette, da hat er gesteckt!
Dollars gegen Doughnuts! Billy mit den dicken Eiern, wie er
leibt und lebt!«
»Meide Dase!« schrie Johnny. Sie hatte wieder angefangen
zu bluten, und er hörte sich wieder wie ein menschliches
Nebelhorn an. »Herrgott, tut das weh!«
»Halten Sie den Mund, Sie Memme«, sagte der Cop. »Heiliger Strohsack, sind Sie eine Heulsuse.«
Er setzte ein wenig zurück und wendete den Streifenwagen, so daß das Auto mit der Schnauze nach Westen auf der
Kreuzung stand. Er kurbelte das Fenster runter und streckte
den Kopf hinaus. Sein Nacken hatte mittlerweile die Farbe alter Backsteine angenommen; die Haut warf überall Blasen
und war von Rissen durchzogen. In manchen dieser Risse
stand helles Blut. »Billy!« rief der Cop. »He, du da, Billy Rancourt! He, alter Räuber!«
Der westliche Teil von Desperation schien ein Wohnviertel
zu sein - staubig und trostlos, aber doch ein klein wenig besser als der Campingplatz. Mit tränenden Augen sah Johnny
einen Mann in Blue Jeans und einem Cowboyhut mitten auf
der Straße stehen. Er hatte zwei Fahrräder betrachtet, die dort
verkehrt herum standen, mit den Rädern nach oben. Es waren
drei gewesen, aber das kleinste
- ein bonbonrosa Mädchenfahrrad - war im zunehmenden Wind umgefallen. Die Räder
der beiden anderen drehten sich wie verrückt. Nun sah dieser
Bursche auf, erblickte den Streifenwagen, winkte zögernd
und kam ihnen entgegen.
Der Cop zog den großen, vierschrötigen Kopf wieder ein.
Er drehte sich zu Johnny um, dem sofort klar wurde, daß der
Mann da draußen keinen besonders guten Blick auf diesen
speziellen Gesetzeshüter geworfen haben konnte; andernfalls
würde er jetzt in die entgegengesetzte Richtung laufen. Der
Mund des Cops hatte das eingefallene, schlaffe Aussehen von
Lippen, hinter denen keine Zähne mehr

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