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Dessen, S

Dessen, S

Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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Geschäften und einen öffentlichen Strand, auf dem reger Betrieb herrschte.
    »Jedenfalls muss ich wieder an die Arbeit«, sagte mein Vater gerade und knüllte das Muffinpapier zusammen. »Deshalb würde ich dir jetzt gern dein Zimmer zeigen. Wir können uns später beim Abendessen ausführlich unterhalten. Einverstanden?«
    »Natürlich«, antwortete ich. Wir gingen wieder hinein. Der Brandungserzeuger auf dem Beistelltisch rauschte nach wie vor in voller Lautstärke. Kopfschüttelnd streckte mein Vater die Hand aus und stellte ihn ab.
Klick
. Die plötzliche Stille tat fast weh. »Du schreibst also gerade eifrig?«
    »Absolut. Ich habe einen richtigen Lauf. Das Buch ist bestimmt bald fertig«, antwortete er. »Eigentlich muss ich nur noch das verbliebene Material strukturieren und ein paar Passagen überarbeiten.« Wir gingen in den Flur, danndie Treppe hinauf. Oben kamen wir an einer offenen Tür vorbei. Ich konnte eine rosafarbene Wand mit einer Bordüre aus braunen Tupfen erkennen. Drinnen war es still.
    Mein Vater öffnete die nächste Tür und wies hinein. »Tut mir leid, dass es so klein ist«, sagte er, als ich das Zimmer betrat. »Dafür hast du den schönsten Blick.«
    Was definitiv der Wahrheit entsprach. Beides. Der Raum war winzig – außer einem Doppelbett und einem Schreibtisch passte nicht viel hinein   –, doch durch das Fenster sah man einen vollkommen unberührten Uferstreifen: Sand, Strandhafer, Wasser. Sonst nichts. »Wunderschön!«, meinte ich.
    »Nicht wahr? Ursprünglich war das mein Arbeitszimmer. Aber weil wir direkt daneben das Kinderzimmer einrichten mussten, bin ich auf die andere Seite des Hauses umgezogen. Ich will Thisbe ja nicht mit dem Lärm meines kreativen Prozesses stören.« Er schmunzelte, als wäre das ein Witz, den ich auch noch verstehen sollte. »Apropos – ich mache mich wirklich besser wieder an die Arbeit. Seit Neuestem ist morgens meine produktivste Zeit. Beim Abendessen kannst du mir dann alles erzählen, okay?«, sagte er. Zum zweiten Mal.
    »Ah ja.« Ich sah auf die Uhr. Es war fünf nach elf. »Kein Problem.«
    »Großartig.« Er drückte kurz meinen Arm und ging raus, wobei er leise vor sich hin summte. Nachdem er an der Tür zu dem rosa-braunen Raum vorbeigegangen war, hörte ich, wie sie leise geschlossen wurde.
    ***
    Abends um halb sieben wachte ich auf, weil ein Baby weinte.
    Wobei Weinen eine Untertreibung war. Denn Thisbe brüllte wie am Spieß – klarer Fall von frühzeitigem Lungentraining. Trotz der dünnen Wand zwischen uns war das Geschrei in meinem Zimmer kaum zu hören, doch als ich hinaus auf den Flur trat – auf der Suche nach dem Bad, weil ich mir die Zähne putzen wollte   –, schwoll es zu ohrenbetäubender Lautstärke an.
    Einen Augenblick lang blieb ich im Dämmerlicht vor dem rosa Zimmer stehen und lauschte: Wie sie brüllte, brüllte, brüllte, immer lauter, immer stärker, wie das Weinen plötzlich für kurze Zeit verebbte, dann allerdings noch viel heftiger losging. Ich fragte mich, ob ich vielleicht die Einzige war, die es mitbekam, bis ich hörte, dass jemand »Sch sch sch« murmelte. Und sofort wieder übertönt wurde.
    Irgendetwas daran war mir vertraut, meldete sich aus den Tiefen meines Unterbewusstseins. Als meine Eltern gerade mit ihren nächtlichen Streitereien losgelegt hatten, hatte ich versucht, mich genau auf die Art selbst zu beruhigen. Hatte mir
Sch, sch, alles gut
vorgebetet, wie ein Mantra, während ich versuchte, nicht auf die beiden zu achten und einzuschlafen. Nun so etwas Ähnliches zu hören fühlte sich seltsam an, weil ich daran gewöhnt war, diese Laute nur in meinem eigenen Kopf zu hören. In der Dunkelheit, die mich umgab, während ich in meinem Bett lag. Deshalb ging ich rasch weiter.
    »Dad?«
    Mein Vater saß an seinem Laptop, der auf einem Tischvor einer fensterlosen Wand stand, und rührte sich nicht, als er antwortete: »Hm?«
    Ich warf einen Blick über die Schulter, den Flur entlang zum rosa Zimmer. Schaute dann wieder ihn an. Er tippte nicht, starrte bloß auf den Bildschirm. Neben ihm auf dem Schreibtisch lag ein Block mit handschriftlichen Notizen. Er sah fast so aus, als hätte er sich die letzten sieben Stunden, während ich geschlafen hatte, nicht bewegt. »Soll ich vielleicht, äh, mit dem Abendessen anfangen?«, fragte ich.
    »Macht Heidi das denn nicht?«, antwortete er, ohne seinen Blick vom Monitor abzuwenden.
    »Ich glaube, sie ist mit dem Baby beschäftigt«, sagte ich.
    »Ach so.«

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