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Dessen, S

Dessen, S

Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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meine Haare zusammenband, mir die Jacke schnappte und das Haus verließ, um einen Spaziergang zu machen. Das Baby schrie immer noch. Immer noch!
    Ursprünglich hatte ich ganz bestimmt nicht vorgehabt, zu dieser sogenannten Spitze zu gehen, was oder wo auch immer das war. Ich brauchte nur frische Luft, ein bisschen Abstand von dem Krach im Haus, eine Chance zu verdauen, was zwischen mir und meinem Vater vorhin eigentlich vorgegangen war. Doch nachdem ich ein Stück gelaufen war, endete die Straße in einer Sackgasse. Auf einer Seite zweigte ein schmaler Weg ab und etwas weiter weg sah ich einen Lichtschein. Ist wahrscheinlich ein Fehler, dachte ich. Doch im nächsten Moment fiel mirHollis in seinem unmöglichen Bilderrahmen ein. Und wie von selbst ging ich weiter.
    Der Weg schlängelte sich durch den Strandhafer und über ein paar Dünen hinweg, mündete in einem breiten Streifen Sand, einer Art Landzunge, wahrscheinlich entstanden nach einem Sturm oder weil das Meer zu viel vom Ufer mitgerissen hatte. Auf provisorischen Bänken aus Treibholz quetschten sich jede Menge Leute zusammen. Andere hatten sich um ein loderndes, prasselndes Lagerfeuer versammelt. Am Rand parkte ein kleiner Lastwagen, auf dessen Ladefläche ein Fass Bier stand. Daneben hockte der Lange, Dünne vom Fahrradladen. Als er mich bemerkte, wirkte er überrascht und warf einen raschen Blick Richtung Lagerfeuer. Wo natürlich der Kerl stand, der mich angequatscht hatte. Er trug mittlerweile eine rote Windjacke, hielt einen Plastikbecher mit Bier in der einen Hand und redete mit zwei Mädchen – der Rothaarigen, die ich vorher schon mit ihm zusammen gesehen hatte, und einer Dunkelhaarigen mit steif abstehenden, akkurat geflochtenen Zöpfen.
    »Aus dem Weg!«, brüllte unvermittelt jemand hinter mir. Ein Surren ertönte. Ich drehte mich um. Der stämmige Fahrradladentyp sauste auf mich zu, trat mit aller Kraft in die Pedale. Gerade noch rechtzeitig sprang ich zur Seite. Er düste an mir vorbei, schoss um die Düne herum und auf die schmale Landzunge. Während ich noch versuchte, wieder Luft zu bekommen, tauchten aus der Dunkelheit zwei weitere Gestalten auf Fahrrädern auf, ein blonder Junge und ein Mädchen mit raspelkurzem Haar. Sie redeten und lachten, während sie in einemAffenzahn an mir vorbeifuhren. Hilfe, dachte ich und wich wieder einen Schritt zurück auf den Weg, wobei ich mit etwas zusammenstieß. Vielmehr mit jemandem.
    Ich drehte mich um. Vor mir stand ein hochgewachsener Typ mit langen Haaren, die er im Nacken zusammengebunden hatte. Er trug ein verwaschenes blaues Kapuzenshirt sowie Jeans und warf mir einen flüchtigen Blick zu. Seine Augen waren grün und saßen tief in ihren Höhlen. Er schien mich kaum wahrzunehmen.
    »Tut mir leid«, sagte ich, obwohl es nicht an mir gelegen hatte, dass wir zusammengeprallt waren. Schließlich war er derjenige gewesen, der still und heimlich hinter mir den Weg entlanggetrabt war. Aber er nickte bloß und ging dann weiter Richtung Strand, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
    Mehr Hinweise brauchte ich eigentlich nicht: höchste Zeit zu verschwinden. Doch als ich gerade abdrehen wollte, rief hinter mir jemand: »Siehst du? Ich wusste es! Du kannst mir nicht widerstehen!«
    Ich wandte mich wieder um. Da war er, der Anbaggerer von der Strandpromenade, immer noch mit seinem Becher bewaffnet. Die Rothaarige und das Mädchen mit den Zöpfen, die mittlerweile bei dem Bierfass standen, beobachteten unwillig, wie er nun auf mich zuschlenderte. Ich wurde auf einmal ziemlich nervös. Doch plötzlich sah ich meine Mutter vor meinem geistigen Auge – wie sie an unserem Küchentisch saß, von ihren Doktoranden umringt.
Ich
wusste möglicherweise nicht, was ich sagen sollte. Aber wenn ich mich an die Technik meiner Mutter hielt, die ich nur zu gut kannte   …
    »Ich kann dir durchaus widerstehen«, meinte ich zu ihm.
    »Schon klar, dass du das glaubst. Dabei habe ich meinen Angriff noch gar nicht gestartet«, konterte er.
    »Angriff?«
    Er grinste. Sein Lächeln – strahlend, von einem Ohr zum anderen, fast ein bisschen zu übermütig, Tendenz albern – war eindeutig das Beste an ihm. Und er wusste es. »Ich heiße Jake und besorge dir jetzt ein Bier.«
    Aha, dachte ich. So schwierig war das ja eigentlich gar nicht.
    »Das kann ich schon selbst«, antwortete ich. »Geh einfach vor.«
    ***
    Wo liegt dein Problem?
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Weder als Jake mir die Frage gestellt

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