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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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hatte, weil ich mich von ihm löste, meine Bluse um mich raffte und über die Dünen stolperte, um den Pfad zurück zur Straße zu erreichen. Und auch jetzt nicht, während ich auf das Haus meines Vaters zulief und versuchte, mir den Sand aus den Haaren zu schütteln. Meine Lippen fühlte sich wund und geschwollen an, der Verschluss meines BHs, den ich hastig wieder eingehakt hatte, grub sich in die Haut an meinem Rücken. Ich betrat das Haus durch die Hintertür, schloss sie sorgfältig.
    Auf Zehenspitzen ging ich die Treppe hinauf, den dunklen Flur entlang, war froh, außer meinen eigenen Schritten nichts zu hören. Thisbe schlief also endlich. Ichduschte lang, heiß, ausgiebig, zog ein Tanktop sowie Yogahosen an, verkroch mich in meinem Zimmer, schlug ein zweites Mal an diesem Abend das Buch zum BW L-Grund kurs auf. Doch obwohl ich versuchte, mich auf das, was dort stand, zu konzentrieren, stürmten die Erfahrungen der letzten Stunden mit Gewalt auf mich ein: der scharfe Unterton meines Vaters, Jakes lässiges Lächeln, unser hektisches Gefummel in den Dünen, das genauso schnell wieder vorbei gewesen war, wie es begonnen hatte. Und wie sich auf einmal alles so schräg, so falsch angefühlt hatte. Gar nicht wie ich. Meine Mutter mochte in der Lage sein, das hochmütige, unnahbare Biest zu spielen. Denn genau das hatte ich getan: spielen. Bis das Match vorbei war. Ich war doch eigentlich ein kluges Mädchen. Warum hatte ich etwas so Dummes getan?
    Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen, wie die Wörter auf der Seite vor mir verschwammen, drückte meine Handflächen an mein Gesicht, um sie aufzuhalten. Vergeblich. Im Gegenteil, die Tränen schienen ansteckend zu sein: Denn ein paar Sekunden später fing auch Thisbe wieder an. Prompt hörte ich, wie jemand den Flur entlanglief – Heidi, mit Sicherheit.
    Thisbe weinte eine geschlagene Stunde lang. Meine eigenen Tränen waren längst wieder versiegt. Ich weiß nicht genau, woran es lag – vielleicht fühlte ich mich wegen dem, was ich getan hatte, schuldig oder brauchte dringend Ablenkung von meinen eigenen Problemen. Jedenfalls stand ich irgendwann auf, ging das kurze Stück den Flur entlang zum Kinderzimmer. Dieses Mal klopfte ich nicht, sondern öffnete einfach die Tür. Heidi, derebenfalls Tränen übers Gesicht liefen, saß wieder auf dem Schaukelstuhl und blickte verzweifelt zu mir auf. Sie sah furchtbar aus. »Gib sie mir.« Ich streckte die Arme aus. »Ruh dich aus.«
    ***
    Ich war mir ziemlich sicher, dass in »Ihr Baby ist da. Alles, was Sie wissen müssen« nichts davon stand, dass Spaziergänge auf einer Strandpromenade bei Sonnenaufgang gegen Koliken halfen. Aber man konnte ja nie wissen   …
    Zuerst war ich mir nicht mal sicher, ob Heidi mir das Baby überlassen würde. Denn sie zögerte sichtlich, obwohl sie eindeutig am Rand der Erschöpfung war. Erst als ich noch einen Schritt auf sie zu tat und meine Worte durch ein »Komm schon« bekräftigte, atmete sie tief durch. Und im nächsten Moment hielt ich meine Schwester im Arm.
    Sie war so klein, so winzig klein. Und wand sich heftig in meinem Arm, wodurch sie noch zerbrechlicher wirkte. Andererseits war sie offensichtlich sehr stark, denn das ewige Brüllen kostete garantiert Kraft. Ihre Haut fühlte sich warm an und ich spürte, dass sie hinten im Nacken und am Haaransatz ganz feucht war. Armes Baby, dachte ich. Und verblüffte mich selbst damit.
    »Ich weiß nicht, was sie will oder braucht.« Heidi ließ sich so heftig in den Schaukelstuhl zurückfallen, dass er gegen die Wand stieß. »Es ist nur   … ich kann einfach   … Ich halte es nicht mehr aus, ihr beim Schreien zuzuhören.«
    »Geh schlafen«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Vielleicht sollte ich besser   … «
    »Geh!«, wiederholte ich. Und obwohl ich nicht vorgehabt hatte, einen so scharfen Ton anzuschlagen, funktionierte es. Schwerfällig stand sie auf und ging schniefend an mir vorbei ins Elternschlafzimmer.
    Und ich war mit Thisbe allein. Die natürlich nach wie vor brüllte. Eine Zeit lang versuchte ich es mit hektischem Schuckeln und ziellosem Herumschlendern: Kinderzimmer, Treppe runter, Treppe rauf, Treppe wieder runter, in die Küche, ein paarmal um die Küchentheke, ins Wohnzimmer. Es beruhigte sie zwar ein wenig, aber nicht wirklich. Plötzlich sah ich den Kinderwagen neben der Haustür. Es war ungefähr fünf Uhr morgens, als ich sie – ein hysterisch quakendes Babybündel –

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