Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege

Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege

Titel: Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Bremsen wie eine Schar kreischender Vögel, und ich hörte hinter mir das Krachen der in schneller Folge kollidierenden Autos, die sich wie mit einem zerstörerischen Trommelwirbel ineinanderschoben. Die Stille, die folgte, war perfekt. In Sekundenschnelle war alles vorbei. Eine Staubwolke stieg vom Straßenbankett auf, dort, wo der Wagen des Mädchens schließlich mit der linken Seite nach oben, halb vom Gebüsch verdeckt, liegengeblieben war. Das Auto hatte den Pfosten eines Verkehrsschilds glatt durchschlagen, das jetzt zerbeult auf dem Dach lag. Ich fuhr rechts ran, stieg aus und hechtete, dicht gefolgt von dem Typ aus dem marineblauen Lieferwagen, zum Straßenrand. Wir mußten zu fünft auf das Autowrack zugerannt sein, getrieben von der alptraumhaften Vorstellung, der Tank des Unfallwagens könnte explodieren, was zum Glück ausblieb.
    Das weiße Auto war wie eine Ziehharmonika zusammengeschoben, die Tür auf der Fahrerseite hoffnungslos verklemmt. Unter der Motorhaube entwich Dampf mit beängstigendem Zischen. Durch den Aufprall war das Mädchen mit dem Kopf voran gegen die Windschutzscheibe katapultiert worden, die spinnennetzartig geborsten war. Sie war bewußtlos, ihr Gesicht eine rote Masse. Ich zwang mich, den Anblick auszuhalten, obwohl ich instinktiv vor Entsetzen am liebsten davongelaufen wäre. Der Bursche aus dem marineblauen Lieferwagen riß mit einer Kraft, die nur die Not hervorbringt und unter normalen Umständen nicht wiederholbar ist, die Tür des Citycars beinahe aus den Angeln. Gemeinsam hoben wir das Mädchen aus dem Wagen und legten sie auf einen geschützten Platz an der Böschung. Ich deckte sie mit meiner Jacke zu und kauerte neben ihr. Der andere versuchte den Blutstrom aus den tiefsten Schnittwunden mit einem Tuch zu stillen. Er war Mitte Zwanzig, hatte dunkles lockiges Haar und schwarze Augen, in denen die Angst stand. Hinter mir fragte jemand, ob ich Erste Hilfe leisten könne, und in diesem Moment erst wurde mir klar, daß es noch weitere Verletzte gab. Ich drehte mich um zu dem Burschen aus dem Lieferwagen, der am Hals des Mädchens ihren Puls fühlte.
    »Lebt sie ?« fragte ich.
    »Ja, alles in Ordnung.«
    »Dann sehe ich mal, was ich da hinten machen kann«, erklärte ich. »Schreien Sie, wenn Sie mich brauchen .« Er nickte.
    Ich ließ ihn allein bei dem Mädchen zurück, ging die Böschung entlang und zu einem sich windenden Mann, dessen Bein offenbar gebrochen war. Irgendwo ganz nah schluchzte eine Frau hysterisch, und ihre Schreie bildeten eine gespenstische Hintergrundkulisse zu dem Stöhnen der Verletzten. Der Fahrer des roten Porsche stand einfach da wie gelähmt unter dem Schock.
    Mittlerweile kam der Verkehr auf der 101 nur noch im Kriechtempo voran, und die Leute in den Fahrzeugen reckten die Hälse, als ob eine Massenkarambolage eine Art Sportveranstaltung wäre und das hier das Entscheidungsspiel. Sirenen kamen näher. Die folgende Stunde verging in einem Durcheinander von Polizei- und Krankenwagen. Ich entdeckte in der Menge meinen Freund John Birkett , Fotoreporter einer Lokalzeitung, der nur Sekunden nach den Ambulanzen den Unfallort erreicht hatte. Und ich erinnere mich noch, daß ich staunte über die Geschwindigkeit, mit der sich die Nachricht von der Massenkarambolage offenbar verbreitet hatte. Ich sah zu, wie man das Mädchen in einen Krankenwagen schob. Die Blaulichter wurden ausgeschaltet, einige von uns machten vor den Beamten der Verkehrspolizei ihre Aussage, und untereinander besprachen wir den Hergang immer wieder, als könnte uns die ständige Wiederholung beruhigen und erleichtern. Ich kam erst gegen sieben Uhr abends nach Hause, und meine Hände zitterten noch immer. Das Chaos der erlebten Bilder machte den Schlaf zur Qual. Ständig schreckte ich auf, von Traumsequenzen gequält, in denen meine Füße wild zuckten, während ich wieder und wieder auf die Bremse trat.
    Als ich in der Morgenzeitung vom Tod des Mädchens las, wurde mir fast übel vor Trauer. Caroline Spurrier war gerade zweiundzwanzig, sie kam aus Denver Colorado, wo ihre Familie lebte. Sie hatte Englisch am College in Santa Barbara studiert und hätte in zwei Monaten Examen gemacht. Das Foto zeigte schulterlanges, blondes Haar, helle Augen und ein spitzbübisches Lächeln. Dem Zeitungsbericht zufolge waren sechs weitere Personen verletzt worden, jedoch niemand lebensgefährlich. Der Tod des Mädchens legte sich wie ein kalter Hauch auf meine Brust, den ich nicht abschütteln

Weitere Kostenlose Bücher