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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Aber ist die katholische Kirche denn
nicht den Ansicht, daß die Aufzucht von Software-Zombies eine
Art Todsünde ist?«
    »Eine beunruhigende und ungeklärte Frage, Mr. Philippe.
Wenn Pater De Leone recht hat, haben wir nur ein
Expertensystem-Modell seines Bewußtseins verloren, aber wenn er
sich irrt, haben wir eine heroische Seele in den Limbus geschickt, wo
sie nun einsam und verloren herumirrt…«
    »Jetzt wird’s mir ein bißchen theologisch, Eure
Eminenz. Das muß ich von Berufs wegen vielleicht nicht
unbedingt wissen…«
    »Ich fürchte, das ist der Kern der Sache, Mr. Philippe.
Pater De Leone war ein unerbittlicher Gegner schon allein des
Konzepts der Nachfolger-Entität. Er hielt diese Gebilde für
satanische Konstrukte, und demgemäß wäre es eine
schwere Sünde, bei ihrer Erschaffung mitzuwirken. Nach seinem
Verständnis hat er also seine unsterbliche Seele im Dienst der
Kirche riskiert…«
    »Kapier ich nicht. Warum sollte ein Mann wie der sich auf
Chips bringen lassen? Was hätte er davon, wenn ein Dybbuk von
ihm die Bits und Bytes heimsucht? Was hätten Sie
davon?«
    »Die Nachfolger-Entität könnte schlüssige
Beweise für oder gegen die Existenz ihrer eigenen Seele finden
und dadurch das Dilemma im Herzen der Kirche lösen.«
    »Wie bitte?«
    Ich nahm noch einen Zug vom Kraut. Die Sonne war untergegangen,
die Sterne kamen heraus, eine kühlende Brise tanzte über
die Meeresoberfläche, und das Wasser darunter wirkte wie das des
Uranos, unergründlich und formlos klar bis zum Nichts in seinem
Kern. Genau die richtige behagliche Kulisse für kosmische
Gespenstergeschichten.
    »Bei diesem unglücklichen Experiment ging es Maria
zufolge nicht darum, wie das Schisma überwunden werden
würde, sondern daß es überwunden würde,
und zwar jetzt.«
    »Verzeihen Sie mir die religionsübergreifende Metapher,
Eure Eminenz, aber das wird mir alles ein bißchen zu
byzantinisch.«
    Kardinal Silver seufzte. »Aber der Päpstin nicht, Mr.
Philippe«, sagte er. »Sie ist am unfehlbarsten, wenn Sie
unergründlich zu sein versucht, und in diesem speziellen Fall
ist ihr das perfekt gelungen. Wenn Gott durch Maria spricht, um eine
andere religionsübergreifende Metapher zu benutzen, dann neigt
Er dazu, in Zungen zu sprechen.«
    »Klingt ja, als wäre sie eine Hexe…«
    Kardinal John Silver sah mich eine ganze Weile an. »Sie
dürfen so etwas sagen, aber ich kann mich dazu unmöglich
äußern«, erklärte er mit einem Aufblitzen in den
Augen und einem plötzlichen, süffisanten kleinen Grinsen.
Er betrachtete das Kraut mit dieser neuen Miene und griff dann nach
meinem Spliff.
    »Wenn ich’s mir recht überlege, nehme ich
vielleicht doch lieber einen Zug«, sagte er. »Und ein
trockener weißer Bordeaux wäre auch nicht verkehrt, wenn
Sie einen haben.«

 
IV
     
     
    Je weniger man über meine Reise per Hubschrauber nach Rom
sagt, desto besser. Vier Stunden lang klammerte ich mich in dem
elenden Flugapparat entsetzt an meinen Sitz fest, während
Kardinal Silver mit dem Piloten munter über die
Berufsgeheimnisse der Fliegerzunft plauderte und ab und zu innehielt,
um meine Aufmerksamkeit auf die Landschaft unter uns zu lenken.
    Ich für mein Teil hatte nicht die geringste Absicht, von hier
oben auf irgend etwas dort unten hinunterzuschauen, und ich
hätte die Augen während des ganzen Fluges geschlossen
gehalten, wäre mir nicht von den Benzindünsten und dem
Geschüttel des Hubschraubers in seinem dröhnenden,
ratternden Kampf, sich wider jedes Naturgesetz in der Luft zu halten,
immer sofort übel geworden, sobald ich es versuchte.
    Es genügt wohl, wenn ich sage, daß ich mich nur ein
einziges Mal übergab – und daß ich viel zuviel Angst
hatte und mich viel zu unwohl fühlte, um eingehender
darüber nachzudenken, was, um alles in dieser traurigen Welt,
diese Päpstin von mir wollen könnte.
    Irgend etwas wollte sie, soviel stand fest. Ich konnte
nicht so recht glauben, daß sie mich per Hubschrauber zu sich
holen ließ, nur um mir eine kläglich vorzeitige letzte
Ölung zu erteilen.
    Nach einem ewig langen Geschaukel und Geschwanke landete der
Hubschrauber schließlich auf dem Petersplatz, und noch bevor
mir die Ohren aufhörten zu klingen, die Benzindämpfe aus
meiner Nase wichen oder meine weichen alten Knie wieder fest wurden,
schleifte mich Kardinal Silver auch schon hinein und brachte mich
unverzüglich zur Päpstin.
    Die Päpstin hatte sich dafür entschieden, uns in der
vatikanischen Version eines

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