Deus X
Reihe menschlicher Matrizen für das, was die
Originalschablone über eine andere Grenze hinweg an Petrus
weitergegeben hat.«
»So habe ich das bisher noch nie gesehen, Eure
Heiligkeit.«
»Da bin ich sicher, Pater De Leone«, sagte die
Päpstin scharf. »Aber ohne den Glauben an eine solche
Kontinuität der päpstlichen Software – um es einmal so
auszudrücken – wäre der Fels, auf den Jesus seine
Kirche gebaut hat, schließlich nicht mehr als Sand, und wir
Päpste wären jedesmal, wenn wir mit der Autorität des
Heiligen Geistes eine Bulle erlassen, nur Wichtigtuer und
Heuchler.«
»Und ich würde das auch gewiß nicht mit solchen
Worten formulieren«, druckste ich herum, denn einerseits haftete
ihrer Interpretation der Papstfolge mehr als ein Hauch elektronischer
Gotteslästerlichkeit an, deren Negation jedoch andererseits auch
ein Hauch einer anderen Form von Blasphemie. Falls diese Päpstin
mich zu einer theologischen Debatte zu sich gerufen hatte, so begann
ich bereits den Boden unter den Füßen zu verlieren.
»Aber mir bleibt nichts anderes übrig, als es so zu
formulieren, Pater De Leone, denn die Zeiten verlangen eine solche
päpstliche Bulle zu dem in Rede stehenden zentralen
Thema.«
»Und das wäre, Eure Heiligkeit?«
»Das, welches die Kirche zerreißt«, sagte die
Päpstin energisch. »Die Angelegenheit muß
geklärt werden, so oder so, und ich werde es tun, auch wenn
Kardinal Silver unablässig darauf drängt, daß ich
mich aus politischen Gründen darum herumlaviere. Deshalb habe
ich Sie nach Rom kommen lassen, Pater De Leone.«
»So?«
In diesem Augenblick kam ein Diener mit dem Kaffeeservice herein,
und während der Kaffee eingeschenkt wurde, nahmen meine
Hoffnungen einen Aufschwung. Würde mir am Ende meines Lebens
tatsächlich noch diese Gnade zuteil werden? Die Päpstin
würde eine Bulle über den spirituellen Status der
transkorporealen Nachfolger erlassen, und sie hatte mich geholt, um sie zu beraten! Daher mußte sie zuallermindest
vorhaben, den Nachfolger-Entitäten ein für allemal die
Kommunion zu verweigern; vielleicht würde sie sogar ihren
menschlichen Schablonen die Exkommunizierung androhen, wenn ich sie
überzeugen konnte. Möglicherweise wollte sie sogar,
daß ich bei der Bulle ein bißchen als Ghostwriter
fungierte.
Als der Diener sich zurückgezogen hatte, beugte Maria I. sich
ein wenig vor, trank einen Schluck von ihrem Kaffee und warf mir
einen Blick zu, den man in einer erotischen Situation
verführerisch hätte nennen können.
»Sie haben die Gelegenheit, der Kirche einen letzten Dienst
zu erweisen, Pater De Leone«, sagte sie. »Wenn Sie dazu
bereit sind, werden Sie und ich dem großen dämonischen
Rätsel unserer Zeit ein Ende machen und die Harmonie in der
Kirche wiederherstellen, vielleicht sogar eine neue Generation von
Konvertiten anziehen.«
»Eure Heiligkeit!« rief ich aus. »Es wäre mir
eine große Ehre, Ihnen bei einem solchen Vorhaben auf jede
erdenkliche Weise behilflich zu sein!«
»O ja, ich bin gewählt worden, um alles unter den
Teppich zu kehren, um das Thema zu wechseln, aber das Thema wird sich
nicht in Wohlgefallen auflösen, und mir ist die Aufgabe
zugefallen, die Sache zu klären«, fuhr die Päpstin wie
zu sich selbst gewandt fort.
Als würde ihr klar, was sie tat, fixierte sie mich dann mit
einem Adlerblick, der beinahe etwas Gieriges hatte. »Und das
werden wir beide gemeinsam tun, Pater De Leone, wenn Sie diese
Mission auf sich nehmen.«
»Eure Heiligkeit…«
Die Päpstin hob gebieterisch die Hand. »Das kann kein
Befehl sein, Pater De Leone«, sagte sie. »Sie müssen
es freiwillig tun, und vorher sollten Sie sich lieber anhören,
welche Bürde ich Ihnen auferlegen möchte, denn ich
bezweifle, daß es das ist, was Sie vermuten.«
Die Päpstin trank einen Schluck Kaffee und brach damit die
hoheitsvolle Stimmung, bevor sie richtig entstehen konnte. »Ich
habe alles gelesen, was Sie geschrieben haben«, sagte sie,
»einschließlich des indizierten Materials. Ich habe mir
auch Ihre ärztlichen Untersuchungsergebnisse angesehen. Es
scheint, als würde die Kirche bald auf Ihren weisen Rat
verzichten müssen…«
Sie betrachtete mich mit unverkennbarer, räuberischer Gier.
»Sie sind ein sterbender Mann, Pater De Leone; ich gebe Ihnen
meinen überreichen päpstlichen Segen, aber ich biete Ihnen
auch die Chance, ein Heiliger zu werden.«
»Ein Heiliger!«
»Wenn Sie für die Kirche tun, worum ich Sie bitte, haben
Sie es mehr als
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