Deus X
verdient«, sagte die Päpstin. »Sobald
der Staub sich legt, werde ich es durchpeitschen, oder mein
Nachfolger tut es, denn es wird keine Augenwischerei sein.«
Was führte diese Frau bloß im Schilde? Warum
erfüllte mich dieses gesprächsweise Angebot,
heiliggesprochen zu werden, mit solcher Furcht?
»Ich möchte Ihr Bewußtseinshologramm aufzeichnen
und Ihre Nachfolger-Entität im Computernetz des Vatikans
installieren. Ich möchte Ihren weisen Rat von der Anderen Seite
hören.«
»Was!« rief ich und fuhr mit erhobenen Fäusten von
meinem Stuhl hoch.
»Setzen Sie sich, Pater De Leone, und hören Sie mich zu
Ende an!« befahl die Päpstin.
Ich sank völlig benommen auf meinen Stuhl zurück.
»Ja, ja, ich weiß, Sie sind entsetzt. Sie sind der
festen Überzeugung, daß eine solche
Nachfolger-Entität ein satanischer Golem der Bits und Bytes
wäre und daß Ihre unsterbliche Seele schon allein wegen
der Sünde seiner Erschaffung vor Gottes Richterthron stehen
würde, oder noch schlimmer, in einem ewigen elektronischen
Limbus gefangen wäre. Ich habe Ihnen ja gesagt, ich habe jedes
Wort gelesen. Gerade deshalb sind Sie genau der richtige Mann
dafür, und deshalb werden Sie wahrhaftig ein Heiliger sein, wenn
Sie sich bereit erklären, uns diesen Dienst zu
erweisen.«
»Ich verstehe kaum etwas von dem, was Sie da sagen, Eure
Heiligkeit«, stöhnte ich, »‘aber das wenige, das
ich verstehe, riecht nach einer Todsünde.«
»Ja, mag sein«, stimmte die Päpstin zu.
»Vielleicht ist es schrecklich, so etwas zu verlangen. Aber Sie
sind ideal dafür geeignet, Pater De Leone, eben weil Ihre
Nachfolger-Entität ein solch parteiischer Zeuge sein
wird, was die Existenz ihrer eigenen Seele betrifft.«
»Parteiischer Zeuge?«
»Natürlich, denn was Sie auch in bezug auf die Seele
dieses Nachfolgers glauben mögen, auf der Ebene des
Expertensystems wird sie Ihren Glauben und Ihre Überzeugungen nachbilden und so argumentieren, wie Sie es
täten«, sagte die Päpstin mit einem listigen
Lächeln. »Und gerade Sie wollen doch sicher nicht andeuten,
daß das Programm einen eigenen Willen haben und anders
argumentieren würde?«
Ihr Lächeln wurde noch ironischer. »Eine kleine
salomonische Entscheidung, wenn ich so sagen darf«,
erklärte sie. »Diejenigen, die glauben, solche
Entitäten seien seelenlose Konstrukte, werden einen
intellektuellen Vertreter ihrer Position auf der Anderen Seite haben,
und jene, die das Gegenteil glauben, werden die Chance bekommen, den
Beweis dafür zu erbringen, indem sie Ihre
Nachfolger-Entität dazu bewegen, ihre eigene seelische Existenz
zu akzeptieren, und ich werde meine Bulle den Resultaten entsprechend
erlassen.«
»Auf die Aussage eines Expertensystems hin!« rief ich
entsetzt aus. »Darauf wollen Sie ein päpstliches
Schreiben begründen?«
»Wäre es Ihnen lieber, wenn ich auf die Aussage einer
Nachfolger-Entität vertrauen würde, deren menschliche
Schablone der Überzeugung gewesen war, sie hätte eine Seele?«
Die Päpstin beugte sich vor und blickte mir tief in die
Augen. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich eine satanische
Logikerin oder eine Frau von unergründlicher Weisheit vor mir
sah.
»Betrachten Sie es einmal so«, sagte sie. »Ihre
Nachfolger-Entität wird Ihre Erinnerungen, Ihre Fähigkeiten
zum logischen Denken und Ihre Motivationen haben, ob sie nun glauben,
daß sie mit Ihnen identisch sein wird, oder nicht. Wem
würden Sie eher zutrauen, daß er die Nichtexistenz
seiner Seele von der Anderen Seite her vertritt?«
»Und wenn es ein Dämon ist, der satanische Häresien
von sich gibt?«
»Ich kann der Bürde päpstlicher Unfehlbarkeit nicht
ganz entrinnen, nicht einmal in diesem technischen Zeitalter, und
nicht einmal mit einer solchen List. Ihre Nachfolger-Entität
wird von Theologen beider Glaubensrichtungen befragt werden, aber
letzten Endes muß ich auf Gott vertrauen, und Sie müssen
auf meine Entscheidung vertrauen, ob ich mit einem Programm spreche
oder mit einer Seele.«
Päpstin Maria I. richtete sich in ihrem riesigen Lehnsessel
auf und verwandelte ihn im Nu in den Stuhl Petri. »Insoweit
müssen Sie auf meine päpstliche Unfehlbarkeit bauen«,
sagte sie, »und ich selbst muß das auch, sonst wären
wir beide keine echten Kinder der Heiligen Mutter Kirche.«
Dann, in ganz anderem Ton: »Aber abgesehen von der
päpstlichen Unfehlbarkeit, trauen Sie mir wirklich nicht zu,
daß ich merke, ob ich mit Ihnen oder mit der Wand
rede?«
In diesem
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