Deutsche Geschichte Von 1815-1870
heilige Schwüre verpflichtet gegewesen, im Falle er jemals zur Herrschaft gelange, und daß Orsini's Bomben ihn strafen sollten, weil er sich vergeblich an sein Versprechen mahnen ließ. Orsini's Zweck war jedenfalls erfüllt; Italien fand von diesem Zeitpunkt an in seinen erneuten Bestrebungen, sich zum Einheitsstaate unter einer nationalen Regierung durchzuringen, in dem Kaiser Napoleon einen Förderer und Schützer. Es lebte jetzt
ein Mann
in Italien, der mit hohem Geiste den Gedanken aufgriff, ein einheitliches Italien, unter der Krone Piemont's zu begründen, – es war des jetzigen Königs, Victor Emanuel, geistvoller und genialer Minister,
Graf Cavour
, der seit 1852 an der Spitze der Geschäfte stand. Zuerst schuf er seinem Lande ein treffliches Heer und wußte sich zu den Großmächten in nahe und günstige Beziehungen zu setzen, wozu ihm namentlich die Theilnahme Sardinien's an dem Krimkriege eine passende Gelegenheit bot.
Aber nicht allein mit den Fürsten, auch mit der
nationalen
Parthei seines Vaterlandes wußte er sich in das rechte Einvernehmen zu bringen, und ihr Vertrauen auf seinen Patriotismus zu gewinnen. Das Haupt jener Parthei war der
Advocat Manin
, in der Revolution von 1848 der Dictator Venedigs, der die alte Stadt mit seltener Energie und Ausdauer am längsten gegen die östreichischen Truppen vertheidigt hatte. Die Verwirklichung der nationalen Idee, gleichviel in welcher Form, war für ihn das Höchste, im Gegensatz zu Mazzini, der nur in der Republik das Heil Italiens erblicken konnte. Manin dagegen war der Ansicht, daß die Wiedergeburt Italiens sich am Sichersten durch den Einheitsstaat, unter der Herrschaft eines italienischen Fürsten vollziehen lasse; wollte das Haus Savoyen diese Mission übernehmen, so war er bereit, ihm beizustehen. Die Losung dieser Befreiung aber mußte nach seinem Dafürhalten der Krieg gegen Oestreich sein: »Wir fordern von Oestreich nicht, daß es mild regiere, sondern einfach,
daß es gehe
!« dies war Manin's Programm, der die Befreiung seines Vaterlandes nicht erleben sollte; im Jahre 1852 raffte der Tod diesen edlen Patrioten hinweg, aber was er angebahnt, das ging seinen Weg zu Reife.
Im Sommer des Jahres 1858 fand zwischen dem Grafen Cavour und Napoleon eine Zusammenkunft in Plombières statt, wo am 21. Juli verabredet wurde, daß Italien frei bis zur Adria werden, und Frankreich dagegen, für die von ihm zu leistenden Dienste,
Nizza
und
Savoyen
, die zwei Provinzen, in denen die französische Sprache die vorherrschende war, solle abgetreten bekommen. Das Princip der Sprachgränze, welches man bald geltend machte, sollte dem Tausch einigermaßen zum Deckmantel dienen. Cavour mußte sich, wenn auch mit schwerem Herzen, zu diesem Opfer verstehen, und mit der Hoffnung trösten, daß die Zukunft, wenn anders die Bewohner es wollten, diese Länder doch wieder mit Italien vereinigen könne. Ein zweites Opfer, welches die kindliche Liebe für Italien brachte, war die Vermählung der 16 jährigen Prinzessin Clotilde, der Tochter Victor Emanuels mit dem nicht sehr empfehlenswerthen Prinzen Napoleon, des Kaisers Neffen und einem Sohne von König Jerôme. Bei der Verlobung, welche nur durch die Staatsraison geschlossen war, wurde vermittelst eines pacte de famille die Abtretung der oben erwähnten Länder, gegen die Lombardei, die man Oestreich abzunehmen gedachte, besiegelt.
Ehe man jedoch zum Handeln überging, hatte der vorsichtige Cavour sich auch Preußen's versichern wollen, und nachdem er zu diesem Zwecke den Prinz-Regenten in Baden- Baden gesprochen, durfte er sich hocherfreut über dessen Sympathien äußern und dem hinzufügen: »Gott sei Dank, daß Oestreich durch seine Treulosigkeit es dahin gebracht hat, den ganzen Continent gegen sich aufzubringen!« –
Dieses Reich stand in der That vollständig isolirt, als am 1. Januar 1859 Kaiser Napoleon nun zuerst das Eis brach, und bei der Neujahrgratulation in den Tuilerien, dem Gesandten Oestreichs, Baron von Hübner, in dürren Worten sagte: »Ich bedaure, daß unsere Beziehungen nicht so gut sind, als ich sie zu sehen wünschte; aber sagen Sie Ihrem Souverain, meine persönlichen Gefühle für ihn seien stets dieselben!« –
Mit einer, dieser Aeußerung entsprechenden, Anrede, eröffnete am 10. Januar der König Victor Emanuel die Kammern in Turin, in der es hieß: »Unser kleines Land ist gewachsen an Ansehen in den Räthen Europa's, weil es groß ist durch die Principien die es vertritt, und
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