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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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als viel härter und niederdrückender, als es einst der Absolutismus des 18. Jahrhunderts gewesen; jener hatte ja auch seine guten Seiten gehabt, er brachte Fürsten hervor, groß und einsichtsvoll, die sich bemühten nach der Vorschrift des mächtigen
Kardinal Richelieu
zu regieren und den vollen Wortlaut seines Testamentes: »
Nichts durch das Volk, aber Alles für das Volk
«, auszuführen. Das Metternich'sche System aber, nur auf Mißbrauch und Gewalt gestützt – wohl sind Beide niemals absichtlicher benutzt und angewendet worden – dachte nicht an Menschenwohl und Menschenbeglückung bei dem unbeschränkten Einfluß, den es zu Ende der zwanziger Jahre über ganz Europa ausübte. Es gesellte sich im Gegentheil eine sinnlose Sophistik, eine offne Verachtung der Menschen, die größtentheils in einer gränzenlosen Unwissenheit der historischen Weltentwicklung wurzelte, dazu. Es mußte sich darum natürlich, trotz seines ungeheuren Druckes, die halbe Welt immer wieder und bei jedem Anlasse, gemeinschaftlich gegen dasselbe erheben. Auf Fürstenhülfe war dabei freilich nicht zu zählen; der junge Czar Nicolaus hatte bei seiner Thronbesteigung der Revolte in's Medusen-Antlitz geschaut, und wenn er ihr auch eine eherne Stirne gezeigt, so genügte ihm doch dieser eine Blick, sich vollständig an Oestreich anzuschließen. England, das unter dem trefflichen Canning einen kurzen Versuch gemacht hatte, sich auf die Seite der unterdrückten Freiheit zu stellen, war durch seine irländischen Aufstände, durch seine Kornrevolten für den Augenblick wieder selbst gefesselt, wieder auf den Pfaden gehend, welche es vordem Lord Castlereagh geführt, und auf die es der nicht minder stolze Tory, der Herzog von Wellington, zurückleitete. Es schien vorbei zu sein mit der Macht und Kraft des stolzen Insellandes; man sah es in Wien und Petersburg frohlockend mehr und mehr zu einer Macht zweiten Ranges herabsteigen, und was nun Frankreich betrifft, so befand es sich mehr als je unter der Gewalt des Rückschritts. Graf Artois war 1824, als Karl X. seinem Bruder Ludwig auf den erledigten Königsthron gefolgt, und nun unaufhaltsam mit Hülfe der Jesuiten und entschlossener Minister, auf der abschüssigen Bahn weiter geschritten, die Jener schon eingeschlagen, um die
Charte
vollständig über den Haufen zu werfen. – Trotzdem blickten die Völker, und blickte namentlich Deutschland mit derselben sehnenden Hoffnung auf Frankreich und England, wie es vorher sehnsuchtsvoll auf Rußland und auf dessen Kaiser geschaut hatte. Die drei Völker des Westens wurden es immermehr inne, daß ihre freiheitlichen Interessen ganz eben so enge mit einander verbunden waren, wie dies bei den südeuropäischen Ländern der Fall war, und in Folge dessen sah man sich in Deutschland durch die konstitutionellen Kämpfe jenseits des Rheines, durch das dortige geistige Leben, in einer beständigen Spannung erhalten. – Was. in Frankreich, wo die regierende Parthei, nach der siegreichen Unterdrückung der spanischen Verfassung, wieder Alles für erlaubt und möglich hielt, doch mit der Zeit am Meisten verstimmte und erbitterte, dies waren die Uebergriffe des Klerus und die Wiederherstellung der Jesuiten, die sich nach und nach des ganzen Unterrichts zu bemächtigen suchten. Wir haben gehört, wie die Komödie der inneren Missionen auf einen Augenblick die Nation in einen bigotten Taumel versetzt hatte, aber bei einem so leichtlebigen und zur Satyre aufgelegten Volke, wie die Franzosen es sind, konnte er, unter den Gebildeten wenigstens, nicht lange Stand halten. Die bittersten Sarcasmen ergossen sich aus dem Munde der Dichter und Schriftsteller über die Bemühungen der Regierung, aus ganz Frankreich ein Bethaus machen zu wollen. »Gestern«, so rief der geistvolle Louis Courrier aus, dessen Feder allein eine Armee repräsentirte, »gestern, fragte man, ob wir Herrn der Welt sein würden, heute, ob wir Kapuziner werden wollen? Wer hätte das bei Austerlitz voraus gesagt?«
    Und nicht er allein, auch Andere, namentlich Béranger, der sonst Napoleon nicht liebte, deuteten zurück auf die noch so frische Zeit der französischen
Glorie
, die von dem Augenblicke in noch erhöhterem Glanze im Gedächtniß der Franzosen strahlte, da Napoleon durch seinen Tod auf St. Helena die Mitwelt wieder mit sich versöhnt hatte. Man sah jetzt nur noch das Licht, das er über Frankreich ausgegossen, nicht die Schatten, und ein Béranger verstand es meisterlich, die Riesengestalt

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