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Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Titel: Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asfa-Wossen Asserate
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scheint auch heute noch eher eine Erkenntnis der Eingeweihten.
    Kaum eines der Urteile über die Deutschen scheint so unverwüstlich wie das der Humorlosigkeit. «Zum Lachen geht der Deutsche in den Keller.» Dieser Satz soll in Österreich erdacht worden sein, aber sicher ist das nicht. Denkt man dort und anderswo an den deutschen Humor, fällt den meisten allenfalls das Wort «Schadenfreude» ein. Aus dem Deutschen ist es als Lehnwort in mehrere Sprachen gewandert, so ins Englische, Französische, Italienische, Spanische, Portugiesische, Polnische und Japanische. «Wer sich freut, wenn wer betrübt, macht sich meistens unbeliebt», heißt es bei Wilhelm Busch. Sich lustig darüber zu machen, wenn ein anderer auf der Bananenschale ausrutscht oder jemandem eine Sahnetorte ins Gesicht fliegt, wenn einer dem anderen den Zeigefinger ins Auge sticht, ihm mit einem Billardqueue das Jackett zerreißt – ist das typisch deutsch? Ich denke dabei zuallererst an Stan Laurel und Oliver Hardy, hierzulande als Dick und Doof bekannt, die ihre ganze Komik daraus schöpften, sich gegenseitig Schaden zuzufügen. Von Amerika aus traten sie in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Siegeszug um den Globus an; gelacht hat man über sie auf der ganzen Welt. Auch Fernsehshows wie Verstehen Sie Spaß? , in denen mit versteckter Kamera Schabernack getrieben wird, sind nicht in Deutschland ausgeheckt worden, sondern in Amerika – und es gibt wohl kaum einen Fernsehsender, in welchem Land auch immer, der nicht eine ähnliche Sendung im Programm hat. Nicht einmal das «deutscheste aller Spiele», dessen Reiz sich ganz erheblich der Schadenfreude verdankt, Mensch ärgere dich nicht , ist eine deutsche Erfindung. Es geht auf einen indischen und einen englischen Vorläufer zurück.
    Die Schadenfreude ist also, wie auch immer man zu ihr stehen mag, ganz gewiss kein deutsches, sondern ein menschliches Phänomen. In das Lachen über das Missgeschick, das dem anderen widerfährt, mischt sich die Erleichterung, selbst noch einmal davongekommen zu sein. Und wenn man weiß, dass der andere dabei keinen ernsthaften Schaden davongetragen hat und selber das Ganze mit Humor nehmen kann, muss man es gar nicht in Bausch und Bogen verdammen. Vielleicht hat auch Thea Dorn recht, die vermutet, dass im Deutschen anders als in anderen Sprachen, ein vielleicht nicht gerade schmeichelhafter, aber doch universaler Charakterzug beim Namen genannt und offen ausgesprochen wird – und das wiederum scheint mir ein durchaus tugendhafter Zug.
    Besonders laut schallt der Vorwurf der deutschen Humorlosigkeit von den Britischen Inseln herüber. Dabei sollte freilich bedacht werden, dass sich das Interesse nicht weniger Briten an Deutschland, soweit es nicht um Fußball geht, auf die jüngere Vergangenheit beschränkt, insbesondere auf die Zeit der beiden Weltkriege. Und die Yellow Press weiß dieses Ressentiment nach Kräften zu schüren. Der langjährige Londonkorrespondent des Spiegel , Matthias Matussek, erzählt, wie er und seine Frau einmal vor einem Londoner Restaurant von einem bekannten britischen Regisseur mit dem Hitlergruß empfangen wurden. Es war gar nicht böse, sondern komisch gemeint, und der Regisseur wunderte sich, dass die Deutschen über diesen Witz nicht mitlachen können. «Don’t mention the war», lautet der Running Gag aus der britischen Fernsehserie Fawlty Towers (Das verrückte Hotel), der für das prekäre anglo-deutsche Verhältnis sprichwörtlich geworden ist. «Bloß nicht den Krieg erwähnen!», schärft dort der cholerische Hotelbesitzer Basil Fawlty, gespielt von John Cleese, seinem Personal im Umgang mit deutschen Hotelgästen ein, um dann selbst bei jeder sich bietenden Gelegenheit über diese einen Kübel voller Anspielungen auf Hitler, Göring und Goebbels auszugießen. Spätestens wenn Cleese sich von seinen konsternierten Gästen im demonstrativen Stechschritt verabschiedet, wird deutlich, dass sich die Serie weniger über die Deutschen als über die englische Nazi-Fixiertheit lustig macht. Der junge englische Journalist Kit Holden, der mit dem Klischee der deutschen Humorlosigkeit groß geworden ist und sich irgendwann über die anhaltende Popularität von Nazi-Witzen in seiner Heimat zu wundern begann, schrieb dazu den klugen Satz: «Wenn der lustigste Witz, den du über Deutschland machen kannst, von Nazis handelt, dann hast du kein Recht, dich selbst für besonders humorvoll zu halten.»
    «Witz» und «Humor»

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