Deutschland allein zu Haus
einem Damenrad über Wiesen und Felder zu radeln. Grünzeugsieht er in seinem Dorf schon zur Genüge«, versuche ich sie umzustimmen.
»Mehmets altes Fahrrad hat genau seine Größe«, kichert sie und läuft umgehend in Hatices Zimmer, wo jetzt mein Onkel untergebracht ist.
Meine Frau hat in all den Jahren unserer Ehe dafür gesorgt, dass ich schönes Wetter hasse!
Immer wenn sie einen klitzekleinen Sonnenstrahl erspäht, werde ich dafür bestraft. Dann will sie mit mir zusammen entweder an der Weser spazieren gehen und Tee trinken oder im Bürgerpark wandern und irgendwelche Viecher im Zoo angucken. Und im schlimmsten Fall in den Wümmewiesen radeln …
Was für mich einer besonders gemeinen Foltermethode gleichkommt: eine Fahrradtour ins Grüne mit Kind und Kegel! Und dazu ein Onkel Ömer, der zu allem Überfluss auch noch mit großer Begeisterung sofort einverstanden ist, als würde er in seinem Dorf nicht wie eine Bergziege jeden Tag über dämliche Wiesen hüpfen.
»Eminanim, selbst 2 Milliarden Chinesen sind inzwischen vom Fahrrad aufs Auto umgestiegen, und du willst dich immer noch mit einem schäbigen Fahrrad abrackern!«, wage ich ein letztes Mal Widerspruch einzulegen und füge ein »nicht wahr, Onkel Ömer?« hinzu, in der Hoffnung, wenigstens einen Fürsprecher zu haben.
»Du hast recht, mein lieber Neffe, es wäre natürlich viel schöner gewesen, wie in unserem Dorf mit einem richtigen Esel zu reiten, aber man kann ja nicht alles haben«, ruft er, zwinkert sehr geheimnisvoll und flüstert mir eine völlig unverständliche und sehr anzügliche Bemerkung ins Ohr: »Hauptsache dicke Titten!«
Was meint er denn jetzt damit? Wie kommt er vomFahrrad auf Titten? Hofft er etwa, bei dieser Fahrradtour viele freizügige Damen zu treffen, die sich mit sehr offenherzigen Blusen über das Lenkrad beugen? Oder glaubt er etwa, in Deutschland radelt man andauernd gemütlich durch FKK-Botanik?
Außerdem, wie er von 2 Milliarden Chinesen auf seinen Dorfesel kommt, ist mir auch ein Rätsel … wahrscheinlich weil das Fahrrad für ihn immer noch ein ›Drahtesel‹ ist …
Na ja, mein Onkel ist halt voller Geheimnisse!
»Der Wind! Ich werde mich bei diesem bösartigen Gegenwind sicherlich erkälten!«, starte ich einen allerletzten Versuch, der drohenden Tortur doch noch zu entkommen.
Bei Allah, hätte ich es doch bloß nicht erwähnt!
Selbst bei diesem warmen Wetter werden wir von meiner Frau gezwungen, uns in mehrere Hemden und Jacken zu hüllen. 5 Minuten später treten wir, Onkel Ömer, Eminanim, Hatice und ich, wie die ägyptischen Mumien in die Pedale.
Nach weiteren 5 Minuten schwitzen wir wie die Finnen in der Sauna und veranstalten mitten auf der Straße einen ausführlichen Familien-Striptiis. Alle ziehen ihre überflüssigen Klamotten hastig aus und werfen sie wie selbstverständlich bei mir vorne in den Korb rein.
Bei diesem warmen Wetter zusätzlichen Ballast zu schleppen, würde ich niemandem empfehlen! Am wenigsten mir selber – aber wie jeder weiß, werde ich ja nie gefragt!
Eminanim weiß anscheinend nicht, was ›ins Grüne‹ überhaupt bedeutet, oder sie ist offensichtlich farbenblind! Wir haben Bremen seit Ewigkeiten hinter uns gelassen und fahren an ziemlich hellgrünen Wiesen und dann an dunkelgrünen Wäldern vorbei, aber sie macht immer noch keine Anstalten, endlich anzuhalten.
»Grüner geht’s doch wirklich nicht mehr!«, schnaufe ich.
Wir machen nicht mal an den vielen hübschen Bauernhof-Cafés Rast, die mit sehr viel Grün umgeben sind und wo leckere Flammkuchen mit viel Käse und selbst gemachter Zwetschgenkuchen mit noch mehr Sahne angeboten werden.
Ich bin mittlerweile so entkräftet, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche als meinen Ford-Transit. Danke, Elf!
Wie mein armer uralter Onkel diese grauenhaften Strapazen aushält, ist mir ein Rätsel!
Am meisten wünsche ich mir jetzt ein richtiges Bett! Aber es wurde leider noch kein Bett entwickelt, das mich nach Hause fahren kann. Es sei denn, es ist ein Rettungswagen mit einer bequemen Liege hinten drin. Aber den Trick mit dem Herzinfarkt kann ich meiner Frau nicht noch ein drittes Mal zumuten.
Danke, Elf!
Nach 90 Minuten erhört meine Frau mein Stöhnen und Jammern und hat endlich doch noch Erbarmen mit mir.
Wir machen an einem ziemlich heruntergekommenen Bauernhof halt und nehmen an einem wackligen Tisch direkt vor dem stinkenden Kuhstall Platz. Nur ein stinkender Kuhstall reicht meiner Frau natürlich nicht aus,
Weitere Kostenlose Bücher