Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)
der tatsächlichen Todesursache zu veranlassen.
Deshalb brauchen wir in Deutschland eine generelle Leichenschaupflicht bei toten Kindern und Jugendlichen. Die Leichenschau muss von Rechtsmedizinern oder zumindest von entsprechend geschulten Personen vorgenommen werden, denen auch die Krankenunterlagen des Verstorbenen zur Verfügung zu stellen sind. Nur auf diese Weise lässt sich gewährleisten, dass bei allen Kindesmisshandlungsfällen mit Todesfolge die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.
Häufig gibt es in den betreffenden Familien Geschwisterkinder, die gleichfalls misshandelt werden oder denen nach dem Tod des Bruders oder der Schwester die Rolle des »Sündenbocks« zufällt. Diese Kinder sind in akuter Gefahr und werden oftmals über viele Jahre weiter misshandelt, solange den Tätern nicht das Handwerk gelegt worden ist.
Serienmord im Kinderzimmer
Ein Hausarzt aus einer norddeutschen Provinzstadt wurde eines Tages bei der Zeitungslektüre stutzig. Per Todesanzeige gab eine Familie bekannt, dass sie bereits zum dritten Mal ein Kind im Säuglingsalter durch plötzlichen Kindstod verloren habe.
Vom
plötzlichen Kindstod (Sudden Infant Death Syndrome)
spricht man, wenn trotz Sektion und sämtlicher (z.B. toxikologischer) Zusatzuntersuchungen keine Ursache für den Tod des Säuglings gefunden werden kann, also weder Krankheit noch misshandlungs- oder unfallbedingte Verletzungen. Es handelt sich demnach um eine Ausschlussdiagnose: Alle bekannten möglichen Ursachen müssen mit negativem Ergebnis überprüft worden sein, damit der Arzt auf dem Leichenschauschein »plötzlicher Kindstod« vermerken darf, der dann in der Rubrik »Todesart« auf dem Leichenschauschein als »natürlicher Tod« klassifiziert wird.
Das aber war im vorliegenden Fall höchstwahrscheinlich nicht geschehen. Der aufmerksame Hausarzt hatte erst kürzlich in einer Fachzeitschrift gelesen, dass vom plötzlichen Kindstod so gut wie niemals mehr als ein Kind in einer Familie betroffen sei. Tatsächlich besteht für Säuglinge, die ein Geschwisterkind durch plötzlichen Kindstod verloren haben, rein statistisch gesehen ein erhöhtes Risiko, gleichfalls am Sudden Infant Death Syndrome zu versterben. Aber bereits zwei solcher Todesfälle in einer Familie wurden weltweit erst wenige Male beobachtet. Was jedoch dem Kinderarzt, der die Leichenschauscheine ausgestellt hatte, offenbar nicht bekannt war.
Der Hausarzt schob die Zeitung mit der Todesanzeige in seine Manteltasche und ging zum nächsten Polizeirevier. Eine Familie, die drei Kinder durch plötzlichen Kindstod verloren habe, komme in der gesamten internationalen Fachliteratur nicht vor, erklärte er den Polizeibeamten. Entweder müsse also die Medizingeschichte teilweise neu geschrieben werden – oder bei diesen Todesfällen gehe es nicht mit rechten Dingen zu. Er tippe auf Letzteres, fügte der Arzt hinzu, und empfehle dringend, zur Klärung einen Rechtsmediziner einzuschalten.
Das zuletzt verstorbene Baby war noch nicht bestattet worden. Der zuständige Richter ordnete auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Obduktion des Leichnams an – und siehe da: Der Säugling war an den Folgen eines massiven Schütteltraumas gestorben.
Daraufhin verfügte das Gericht, die beiden Geschwisterkinder zu exhumieren, die ein bzw. zwei Jahre davor angeblich durch plötzlichen Kindstod verstorben waren. Die Gräber wurden geöffnet, die Leichname gleichfalls obduziert – auch diese beiden Babys waren zu Tode geschüttelt worden.
Der Kinderarzt hatte sich also gleich dreimal bei der Leichenschau geirrt. Auf dem Leichenschauschein hatte er jeweils »plötzlicher Kindstod« als Todesursache angegeben. Tatsächlich aber waren alle drei Kinder umgebracht worden.
Wie bereits geschildert, sind die Symptome des Schütteltraumas für das ungeübte Auge schwer zu erkennen. Trotz massiver Hirnschädigung treten so gut wie keine äußerlich sichtbaren Verletzungen auf (siehe Kapitel 4 ). Dass der Kinderarzt beim ersten der drei Todesfälle keinen Verdacht schöpfte, lässt sich daher noch nachvollziehen. Doch spätestens als die Familie zum zweiten Mal auf die gleiche Weise ein Kind im Säuglingsalter verlor, hätte er einen Rechtsmediziner hinzuziehen müssen. Durch sein beharrliches Wegschauen hat er eine wahre Tötungsserie im Kinderzimmer ermöglicht und sich zumindest moralisch mitschuldig gemacht.
Obduktion nur bei konkreten Verdachtsfällen
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