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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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mal, wem soll ich diesen Mist eigentlich auftischen? Den Mainbauern aus Kleinwelzheim oder Großkrotzenburg? Den Friseurgehilfinnen in Mömbris oder Mensengesäß? Ich brauche was Handfestes: diese Vogelschutzsache am besten.«
    Aber so leicht ließ sich Jasons Redestrom nicht reduzieren. Kurz vor der Eröffnung und ihrer endgültigen Niederlage mußte er sich den aufgestauten Ärger von der Seele reden. Insgesamt hatten sich 24 Interessengemeinschaften, an deren Spitze die Deutsche Ornithologische Gesellschaft stand, zusammengefunden und verloren. Der Trend der Zeit war vorbestimmt; und die Großindustrie würde nicht ruhen, ehe nicht die letzte Wiese für nutzlos erklärt und betoniert worden war.
    So brauchte er lange Übergänge, ehe er endlich bei Kallers Thema ankam, sprach von Anhörungsverfahren und Sondergutachten, legte Kopien über Rechtsmittelbelehrungen vor und erging sich längere Zeit über die Unmöglichkeit, Verständnis für die Erhaltung der bedrohten Waldstücke zu wecken. Immer mehr schien sich lähmender Fatalismus unter der Bevölkerung auszubreiten. Die Wälder würden ohnehin in absehbarer Zeit abgeholzt, hieß es da, da mußte man sehen, das meiste Geld herauszuschinden, wenn schon, denn schon, man könne das Rad der Zeit eben doch nicht zurückdrehen. Ein Flughafen bringe zwar Lärm, aber auch die meisten Gelder und Devisen ins Land.
    »Die roten Schnüre auf der Karte, sind das die Ab- und Anflugrouten?« unterbrach Kaller und ging an die Wandkarte, auf der der Vierzig-Kilometer Umkreis des Hafens abgebildet war.
    »Ja, da hast du die ganze Schweinerei!« Die Bahn 22 zeigte südlich an Oppenheim vorbei. Noch etwas weiter südlich löste sich aus dem blauen Band des Rheins die Altrheinschlinge des Kühkopfs. Ihre grüngestrichelten Auen, Felder und Sumpfgebiete buchteten sich weit nach Nordosten aus, bis sie südöstlich Leeheims fast an die Nordsüdbahn reichten. »An durchschnittlich 240 Tagen wird auf dieser Hauptbahn nach Südwesten gestartet werden. Der gesamte Abflugverkehr nach Westen, Süden und Osten wird mit einer Linkskurve über den Kühkopf geleitet, um die Bewohner Niersteins und Oppenheims zu schonen.«
    »Beim Start auf der Südbahn sieht die Sache für den Kühkopf nicht besser aus!« stellte Kaller fest.
    »Da wird eine Rechtskurve nötig, um Goddelau, Pfungstadt, Crumstadt, Gernsheim und Biebesheim zu vermeiden. Man hat soviel wie möglich An- und Abflugverkehr über den Kühkopf gelegt, weil der kaum besiedelt ist!«
    »Logisch!«
    »Und in dieser verdammten Logik steckt unser ganzes heutiges Elend!« Jason spuckte einen winzigen Speiserest aus, mit dem er sich schon lange beschäftigt hatte. »Wir wollen den Menschen schonen, wo immer möglich – gut! Aber gibt uns das das Recht, rücksichtslos die letzten Bastionen der Natur zu zerstören? Besonders, wenn sie so einmalig sind wie auf dem Kühkopf?«
    Kaller hatte es sich nicht nehmen lassen, im Laufe der Auseinandersetzungen um den Flughafen selber diesen markantesten der zahlreichen Streitpunkte zu besuchen. Man fuhr über die Brücke bei Stockstadt auf die Insel zwischen Rhein und Altrhein, oder man nahm die winzige Fähre bei Erfelden, die kaum zweimal ihre eigene Länge zurückzulegen brauchte, um das andere Ufer zu erreichen. Das Naturschutzgebiet war ein Tummelplatz der unterschiedlichsten Vogelarten, von denen er lediglich Möwen, Enten, Weihen und Reiher kannte. Die Flora sollte einmalig sein; auf Hinweistafeln an den Parkplätzen waren seltene Pflanzen aufgeführt.
    »Wieso werden Pflanzen und Bäume zerstört, wenn Jets darüber hinwegdonnern?« fragte Kaller plötzlich, fast mißtrauisch.
    »Ein weitaus komplexeres Problem, als sich Lieschen Müller träumen läßt, Jan! Es hat etwas mit dem veränderten Grundwasserspiegel zu tun. Vor allem aber mit der Bodenverseuchung durch die Unmengen der Öl- und Treibstoffrückstände und der Bleiablagerungen aus den Auspuffgasen. Aber die Schweinerei ist noch viel größer – und da kommen wir zum springenden Punkt, auf den wir unsere Angriffe konzentriert haben. Der Kühkopf wird nicht nur bedroht – er stellt auch eine Bedrohung dar – für den Piloten. Paß auf, Jan!«
    Jason zog eine zweite Karte hervor. Sie umfaßte das gleiche Gebiet, aber auf ihr waren vom Rhein aus mit Rotstift Linien gezogen worden, die den Flughafen kreuzten.
    »Das sind die Zugstrecken der Gänse, Enten und Möwen, wenn sie morgens auf Nahrungssuche gehen, abends zu ihren

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