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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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zum Voice-Print-Test – und die ganze bundesrepublikanische High Society der Schlag-den-Jonas-Verbrechen-Bekämpfungsgruppe alarmiert: Innenministerium, Bundesverfassungsschutz, Generalbundesanwalt, Staatssekretariat, Militärischer Abschirmdienst, Sicherungsgruppe Bonn!
    Als der Verkehrsminister gegangen war, um seiner Regierung Bericht zu erstatten, kam die Nachricht von der Ankunft des Sonderkommandos durch. Der Kripochef ging, die Mannschaft zu inspizieren, die beiden Sicherheitsbeamten verließen den Raum, um mit den Angestellten der ›Avitour‹ noch einmal die Passagierlisten durchzugehen und die Möglichkeiten zu besprechen, nach denen die Bombe an Bord geschmuggelt sein konnte. Zu seinem Radiomann sagte Querholz:
    »Schlage vor, Sie gehen eine Kleinigkeit im Restaurant essen. Wer weiß, wann Sie wieder etwas bekommen, Mann!«
    Als er allein in dem riesigen, luxuriös ausgestatteten Konferenzzimmer war, stützte er sein Kinn in die Hände und dachte nach. Im Prinzip war Querholz ein Einzelgänger, der seine besten, seine einsamen Entschlüsse im Alleingang faßte. Mehr und mehr wurde ihm bewußt, wie wichtig derartige Köpfe für die Zukunft Deutschlands waren. Wenn er Zukunft Deutschlands dachte, meinte er damit stets und ausschließlich die zukünftige Verbrechensbekämpfung. Er sah eine Explosion von Verbrechen (diese Vokabel benutzte er oft und gern) auf sich und Deutschland zurollen. Für diese Prophezeiung hatte er ein Überangebot von Statistik bereit:
    1965 gab es unter der Rubrik Gesamtkriminalität 1.789.319, 1971 bereits 2.441.413 Fälle. Mord und Totschlag hatten im gleichen Zeitraum von 1.556 Fällen auf 2.464 zugenommen. Daß die Rauschgiftdelikte von kümmerlichen 1.003 Fällen auf stattliche 25.287 angestiegen waren, interessierte ihn kaum. Dieser Bereich hing auch für Querholz mit gewissen gesellschaftlichen Umstrukturierungen innerhalb der modernen Wohlstandsgesellschaft zusammen. Was ihn weitaus mehr interessierte, waren die Sprengstoff- und Waffendiebstähle und, im Zusammenhang damit, Raub, räuberische Erpressung und Auto-Straßenraub. 1965 hatte es 539 Fälle von Sprengstoff- und Waffendiebstahl, 7.655 Fälle von Raub und Erpressung gegeben. 1971 lagen die entsprechenden Quoten bei 1.761 und 15.531. Das heißt: In bezug auf Raub etc. hatte eine Verdoppelung, in bezug auf Sprengstoff-Diebstahl eine saftige Verdreifachung stattgefunden. Hier lag für Querholz die Wurzel allen kriminellen Übels. 1975 – er hatte die letzten statistischen Auswertungen noch nicht – hatte sich der ganze Schlamassel nochmals veranderthalbfacht; und für das sich rapide nähernde Jahr 1980 hatte er für die biedere Bundesrepublik Deutschland amerikanische Zustände errechnet. Wohlgemerkt: Zustände, wie sie in den USA 1970, nicht 1980 existierten! Immer, wenn er diesen statistischen Leckerbissen auftischte, versäumte er nicht, im Kreise der Aspiranten und Anwärter auf eine höhere Polizeibeamtenlaufbahn seine eigenen Forschungsergebnisse dabei gebührend herauszustellen.
    Tatsächlich hatte sich die Tätigkeit des Polizeipräsidenten immer mehr von der reinen Aktion abgewandt und auf eine mehr, wenn man so wollte, philosophische oder zumindest propagandistische Ebene verlagert: Er war so etwas wie ein Mann der ›Inneren Führung‹ geworden, reiste durch Deutschland und hielt, als Fachwissenschaftler, seine Vorträge für das staunende niedere Volk, beriet Sonderdezernate und Spezialtrupps, die für das Wesentliche ihrer speziellen Sonderaufgaben oft erstaunlich geringes Fachwissen mitbrachten.
    Mit Unbehagen erinnerte er sich eines Meetings im Kreise der deutschen Pilotenvereinigung › Vereinigung Cockpit e.V.‹ Er hatte, um Aufschluß über den Kabinenaufbau einer entführten DC-8 zu erhalten, einen Skizzenplan benutzt, der zwar für amerikanische Flugzeuge, nicht aber für die der betreffenden europäischen Gesellschaft stimmte. Das hieß: Dort, wo auf dem Plan solide Galleys und Küchenregale eingezeichnet waren, die den Polizisten bei einem Feuergefecht an Bord Schutz bieten konnten, war in Wirklichkeit nichts. Über die Wirkung eines leckgeschossenen Flugzeugreifens beim Start war den Polizisten so gut wie nichts bekannt. Sie wußten nicht, daß durch einen simplen Pistolentreffer die startende Maschine von der Startbahn schlittern und in Flammen aufgehen konnte. Seinen ganz privaten Tiefschlag hatte Querholz jedoch erhalten, als die Piloten ihn fragten, an wen er sich denn überhaupt als

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