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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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munteren »Hallo, hier Morgan« den Hörer ab und wurde von der säuerlichen Stimme meiner Schwester Deborah belohnt.
    »Wo bist du?«, fragte sie, überflüssigerweise, wie ich fand. Da ich von einem Telefon mit ihr sprach, dessen langes Kabel zu meinem Schreibtisch führte, wo sollte ich schon sein? Vielleicht zieht die Handystrahlung tatsächlich das Hirngewebe in Mitleidenschaft.
    »Ich bin direkt hier, am anderen Ende der Leitung«, antwortete ich.
    »Komm runter zum Parkplatz«, sagte sie und legte auf, ehe ich protestieren konnte.
    Ich entdeckte Deborah neben ihrem Dienstfahrzeug. Sie lehnte ungeduldig an der Haube und blickte mir mürrisch entgegen, deshalb beschloss ich in einem Anfall taktischer Brillanz, als Erster anzugreifen. »Warum muss ich mich hier unten mit dir treffen?«, bellte ich. »Du verfügst über ein perfekt ausgestattetes Büro mit Stühlen und Klimaanlage.«
    Sie richtete sich auf und griff nach dem Autoschlüssel. »Mein Büro ist verseucht.«
    »Womit?«
    »Mit Deke. Der schmierige Mistkerl lässt mich keinen Moment in Ruhe.«
    »Er darf dich nicht in Ruhe lassen. Er ist dein Partner.«
    »Er macht mich wahnsinnig«, knurrte sie. »Er hockt mit seinem Arsch auf meiner Tischkante und wartet, dass ich über ihn herfalle.«
    Eine bestechende Vorstellung: Deborah, die aus ihrem Stuhl purzelt und über ihren neuen Partner fällt; doch wie lebhaft ich dieses Bild auch vor Augen hatte, es ergab keinen Sinn. »Warum solltest du über deinen Partner fallen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ist dir etwa nicht aufgefallen, wie
blödsinnig
gut er aussieht? Falls nicht, bist du der Einzige im ganzen verdammten Gebäude. Einschließlich Deke.«
    Selbstverständlich war mir das aufgefallen, aber ich konnte nicht erkennen, was sein lächerlich gutes Aussehen mit unserem Gespräch zu tun hatte. »Okay«, erwiderte ich. »Ich habe es bemerkt. Na und?«
    »Deshalb glaubt er, ich würde mich ihm an den Hals werfen wie alle anderen Weiber, die er jemals getroffen hat«, erklärte sie. »Das ist zum Kotzen. Er ist so dumm wie Hundescheiße, hockt auf meiner Schreibtischkante, stochert in seinen perfekten Scheißzähnen und wartet darauf, dass ich ihm sage, was er tun soll. Wenn ich den noch zwei Sekunden länger ertragen muss, puste ich ihm seinen verdammten Schädel weg. Los, steig ein!«, blaffte sie.
    Deborah hatte noch nie mit ihren Gefühlen hinter dem Berg gehalten, aber dieser Ausbruch war selbst für sie ungewöhnlich, deshalb blieb ich einen Moment stehen und beobachtete sie, während sie in den Wagen stieg und den Motor anließ. Sie jagte ihn hoch, dann ließ sie die Sirene aufheulen, um mich darauf hinzuweisen, dass sie es eilig hatte. Das riss mich aus meinen Gedanken und auf den Beifahrersitz. Ehe ich auch nur die Tür schließen konnte, hatte sie den Gang eingelegt, und wir rollten vom Parkplatz auf die Straße.
    »Ich glaube nicht, dass er uns verfolgt«, bemerkte ich, als sie das Gaspedal durchtrat und sich in den Verkehr stürzte. Deborah antwortete nicht. Sie überholte einfach einen Lieferwagen, auf dessen Ladefläche sich Wassermelonen stapelten, und ließ das Revier und ihren Partner hinter sich zurück.
    »Wohin fahren wir?«, erkundigte ich mich, während ich mich verzweifelt an die Armstütze klammerte.
    »Zur Schule.«
    »Zu welcher Schule?« Dabei fragte ich mich insgeheim, ob das Dröhnen des Motors einen wichtigen Teil unseres Gesprächs übertönt hatte.
    »Zu der Schule für reiche Kinder, die Samantha Aldovar besucht hat«, erklärte sie. »Wie war noch gleich der Name? Ransom Everglades.«
    Ich zwinkerte. Unser Ziel schien diese Hast keineswegs zu rechtfertigen, es sei denn, Deborah fürchtete, zu spät zum Unterricht zu kommen, und dennoch rasten wir mit gefährlichem Tempo durch den Verkehr. Doch die gute Nachricht lautete, dass mich vermutlich nichts Lebensbedrohlicheres als Papierkügelchen erwarteten, falls ich die Fahrt überlebte. Und angesichts der ökonomischen und sozialen Stellung der Schule waren es mit beinahe absoluter Sicherheit qualitativ hochwertige Papierkügelchen, was immer ein Trost ist.
    Deshalb biss ich die Zähne zusammen und hielt mich fest, während Deborah quer durch die Stadt raste, auf die Le Jeune abbog und uns nach Coconut Grove fuhr. Auf der US 1 links, dann rechts auf die Douglas und links auf die Poinciana quer über den Main Highway, und wir waren an der Schule, vermutlich mit einem neuen Geschwindigkeitsrekord, falls irgendjemand derlei

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