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Dezembergeheimnis

Dezembergeheimnis

Titel: Dezembergeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Richter
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blieb.
    »Sieh dir diese ganzen Fotos an«, forderte er sie leise auf und blätterte ein paar Seiten auf, jedoch zu kurz, damit sie wirklich genau hinsehen konnte. »Das sind nicht nur irgendwelche Bilder. Sie erzählen deine Geschichte, sie erzählen von dir. Sie sind dein Leben und ich   … bin kein Teil davon.«
    »Ja, weil das meine Vergangenheit ist. Und glaub mir, nicht viel davon müsste ich unbedingt noch mal haben. Und wir leben jetzt, in der Gegenwart.«
    »Ich weiß.« Er nickte, aber sein Blick haftete immer noch auf den Fotografien. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen konnte, damit er sich besser fühlte, weil sie nicht mal wusste, ob sie genau verstand, was ihn traurig machte. Er war doch jetzt bei ihr – wenn ihn das glücklich machte, warum war er dann nicht glücklich?
    Hilflos streichelte sie ihn weiter den Oberarm, doch er legte seine Hand auf ihre und sagte leise: »Es ist schön, dass du wieder da bist.«
    Er neigte den Kopf zu ihr, lächelte sie an und in seinen Augen funkelte es wieder, sodass Lea in dem Moment, in dem sie eigentlich besorgt oder erschrocken sein müsste, lediglich mit trockenem Mund und roten Wangen zu ihm aufsehen konnte. Da saßen sie beide nun am Ende des Bettes, Schulter an Schulter, ihre Hand in seiner, und Noel hatte ihre Welt mal wieder auf ein Minimum reduziert: auf sich.
    »Welche ist heute deine Lieblingsfarbe?«, flüsterte er.
    »Keine Ahnung.« Ihre Stimme war ganz dünn. »Irgendwas Grünes vielleicht?« Sie holte tief Luft. »Hast du Hunger?«
    Noels Lächeln wurde zu einem Grinsen, er erhob sich und zog sie an der Hand mit nach oben. Lea stolperte dabei näher an seine Brust als ihr lieb war, aber sie konnte sich schnell von ihm losmachen und in die Küche flitzen. Er folgte ihr, aber sie sagten beide nichts. Stattdessen entschieden sie sich für ein ausgiebiges Abendbrot, für das sie gefüllte und überbackene Enchiladas für sich und einen kleinen Brotteig für Noel vorbereitete. Gemeinsam machten sie es sich vor dem Fernseher gemütlich und sie ließ sich nach einer etwas längeren Diskussion dazu überreden, sich von ihm die Füße massieren zu lassen – natürlich fand er dabei heraus, dass sie alles andere als unkitzlig war, wodurch die Stimmung aber wenigstens verspielt und fröhlich blieb.
    Doch unterschwellig wusste Lea, dass das Foto-Thema noch nicht vom Tisch war.
    Ihre Sorge um ihn mündete schließlich darin, dass sie die ganze Nacht kein Auge zutat und kurz bevor sie es einmal fast geschafft hätte, schrieb ihr Maria, dass der Autokauf erfolglos verlaufen war.
    Auch Noel schien nicht schlafen zu können, denn sie hörte ihn ab und zu durch die Wohnung streunen. Offensichtlich war das Sofa also doch nicht so bequem.
    Sie versuchte, sich in seine Situation hineinzuversetzen. Er war dabei, sie kennenzulernen, und schien dabei alles, aber auch wirklich
alles
, erfahren zu wollen. Für sie gab es nichts über ihn herauszufinden, oder? Obwohl er derjenige von ihnen war, der nicht mal eine eigene Vergangenheit besaß, schien er ihr das größere Mysterium zu sein, und je länger sie darüber nachdachte, desto uninteressanter erschien ihr ihre Geschichte. Es zählte doch ohnehin, wie sie
jetzt
war, auch wenn frühere Umstände dazu geführt haben sollten. Es war doch uninteressant, denn weder er noch sie könnten daranetwas ändern, selbst wenn sie es wollten.
    Aber vielleicht ging es ihm gar nicht darum. Vielleicht war er einfach nur darum bemüht, ihr so nah wie möglich zu kommen, oder er dachte, dass sie, wenn er schon damals bei ihr gewesen wäre, inzwischen schon einen erheblichen Schritt weiter wären in ihrer   … was auch immer.
    Vielleicht bedauerte er es auch, selbst keine Familie zu haben. Vielleicht war er nun an einem Punkt angekommen, an dem er sich nach einer eigenen Vergangenheit sehnte.
    Lea hätte ihn zu gerne gefragt, aber sie traute sich nicht, zu ihm zu gehen, obwohl sie genau hörte, dass er ebenfalls wach war. Diese Nacht reihte sich nahtlos an die surrealen vorangegangenen Tage an.
    Als sie am nächsten Morgen aufstand, lag Noel quer über dem Sofa in seine Decke gewickelt, den Kopf unter dem Kissen vergraben. So leise wie möglich huschte sie aus der Wohnung und fuhr zur Arbeit. Den ganzen Tag grübelte sie weiter über ihn und seine traurigen Augen, sodass sogar Maria merkte, dass sie abwesender als sonst war.
    »Das wird noch zur schlechten Angewohnheit bei dir«, bemerkte sie. »In der letzten Woche ist das wirklich

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