Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Sachkenntnis ausnutzen, um Beziehungen zu amerikanischen und englischen Waffenfabrikanten und- händlern aufzubauen. Gerade diese haben ein großes Interesse daran, ihre Waren an den offiziellen Stellen vorbei an gutzahlende Interessenten in aller Welt liefern zu können. Jetzt fehlt mir nur noch das entsprechende Startkapital, um mich ganz von den Weisungen und Launen anderer unabhängig zu machen. Bei all den Krisengebieten, die ich beliefern kann, werde ich das Retzmann-Vermögen in kürzester Zeit verzehnfachen.«
    »Und welche Rolle könnte ich in diesen Plänen übernehmen?«, fragte Lore verblüfft.
    »Ich könnte eine Stewardess oder eine Schiffsnurse brauchen, die auf wechselnden Ozeandampfern fährt und die Ohren offenhält. Um in meinem Geschäft weiterzukommen, braucht man eine Menge Informationen, die man sich auf verschiedene Weise besorgen muss. Vieles läuft nur mit Erpressung, und dazu gehört eine Menge Wissen. Ich muss ebenso über die Offiziere und Mannschaften bestimmter Schiffe auf dem Laufenden sein wie über Geschäftsreisende, Schiffsmakler und deren Angestellte und und und … Da wäre ein ebenso hübsch wie naiv aussehendes Mädchen wie du mir eine recht große Hilfe …«
    »Nun …«, antwortete Lore gedehnt. »Das klingt recht verlockend. Ich muss es mir überlegen.«
    »Überlege es dir nicht zu lange. Ich muss dieses Haus morgen früh geräumt haben, sonst komme ich in Schwierigkeiten. Aber ich werde diese kleine Höllenkatze nicht noch weiter mit mir herumschleppen,schon gar nicht mit einer so gefährlichen Krankheit wie einer Influenza! Bis heute Nachmittag will ich die Angelegenheit geregelt wissen – oder du überlebst die kommende Nacht ebenfalls nicht.«
    »Was sind das denn für gewisse Schwierigkeiten?«, fragte Lore.
    »Du kleine Ratte hast wirklich das Talent zu einer guten Erpresserin. Aber damit du es weißt: Ich lasse mich niemals erpressen. Wenn du also am Leben bleiben willst, musst du dich auf meine Seite schlagen. Ich gebe dir Zeit bis zum frühen Nachmittag. Als Zeichen deines guten Willens wirst du mir jetzt die Papiere aushändigen, die dir der alte Retzmann in Verwahrung gegeben hat.«
    Lore schluckte. »Welche Pa…?«
    »Komm, Mädchen, stell dich nicht dumm. Ich weiß genau, dass der Alte noch auf dem Wrack ein neues Testament geschrieben hat!«
    »Aber ich habe das Zeug doch nicht mehr!«, rief Lore verzweifelt aus. »Ich hatte sie auf Weisung des Grafen in meine Manteltasche gesteckt und mit einer Nadel befestigt. Beim Hochklettern auf den Mast bin ich irgendwo hängengeblieben, und dabei habe ich das Päckchen verloren. Ich hatte mir die ganze Nacht schreckliche Vorwürfe gemacht, denn ich wusste nicht, wie ich Natis Großvater unter die Augen treten sollte …«
    »Dann hast du dir wohl heimlich ins Fäustchen gelacht, dass ich dir den alten Schinder vom Hals geschafft habe!« Ruppert lachte böse, schlug aber dann mit der Faust in die flache Hand und begann, zwischen Tür und Kamin auf und ab zu gehen. »Verdammt! Ich hätte die Handschrift des Alten dringend gebraucht, um ein Testament fälschen zu können. Das ist …«
    Mit einem Mal drehte er sich um und starrte Lore durchdringend an. Sie spürte, wie sie rot wurde.
    »Beinahe hättest du mich hinters Licht geführt, du miese, kleine Hure, du! Aber du musst noch lernen, wie man andere Leute glaubhaft täuscht!«
    Er öffnete die Tür und rief nach dem Kerl, der Lore am Vortag bewacht hatte. »William! Komm rauf und durchsuche dieses Miststück!«
    Es ging so schnell, dass Lore noch nicht einmal dazu kam, Luft zu holen und zu schreien, und es war das Peinlichste, was ihr je passiert war. Obwohl sie versuchte, sich zu wehren, zog der Kerl sie bis aufs Hemd aus und betastete sie überall. Dabei grinste er so dreckig, dass es Lore übel wurde. Nach kurzer Zeit stand sie nur noch in ihrem dünnsten Unterhemd vor dem Bett und musste zusehen, wie der Schurke Marys besten Mantel aufschlitzte und ausschüttelte.
    »Nichts, Chief! Das Luder hat nichts bei sich außer diesem Zwanzigpfundschein.«
    Ruppert kniff die Lippen zusammen und starrte auf die Fetzen des Mantels. »Es könnte tatsächlich sein, Mädchen, dass du die Wahrheit gesagt hast. Aber ich glaube eher, du hast die Unterlagen bei dem schmutzigen Pack in der Hafenstraße versteckt. Los, zieh dich wieder an! Ich trage es dir nicht nach, wenn du mich angelogen hast – diesmal jedenfalls nicht. Es zeigt, dass du Mut genug hast, um auf deinen Vorteil zu

Weitere Kostenlose Bücher