Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
ein gefällter Baumstamm, aber ich habe Ohren zum Hören. Ich weiß, dass Malwine die Mägde, die sie nicht mag, mit einem Stock verprügelt, und sie würde auch vor Lore nicht haltmachen. Es geschieht so, wie ich es gesagt habe, und damit basta!« Wolfhard von Trettin hieb mit der geballten Rechten gegen das Bettgestell, und sein Gesicht wurde so dunkel, dass der Arzt besorgt zu seiner Tasche griff.
    »Du musst mir helfen, Kord«, sagte er leise zu dem alten Knecht.
    »Ich will deinem Herrn eine Spritze geben, damit er schläft. Er regt sich sonst zu sehr auf.«
    Während Kord bedrückt nickte, begann Lores Großvater zu lachen. Dabei verschluckte er sich und hustete. Doktor Mütze sah mit Erschrecken, wie sich die Lippen des alten Mannes rot färbten und ihm ein dünner Blutfaden über das Kinn lief. »Wie es aussieht, wirst du wirklich noch heute vor deinem himmlischen Richter stehen!«
    »Und wenn schon! Er wird sicher gerechter mit mir verfahren alsdiese Lumpenhunde, mit deren Hilfe Ottokar mich um meinen Besitz gebracht hat.« Wolfhard von Trettins Stimme klang brüchig, und er rang zwischen den einzelnen Worten nach Luft. Er war jetzt auch zu schwach, um den Arzt daran zu hindern, ihm eine Spritze zu setzen. Kurz darauf schloss sich sein gesundes Auge, und schon bald verriet sein leises Schnarchen, dass er weggedämmert war.
    Der Arzt schob das Lid auf Trettins gelähmter Körperseite über den Augapfel und zuckte dabei zusammen. Zu sehr erinnerte es ihn an den letzten Dienst, den er verstorbenen Patienten hatte leisten müssen. »Ist noch etwas von dem Wein übrig? Ich könnte jetzt einen Schluck gebrauchen«, fragte er Kord.
    Dieser deutete auf die noch zu einem Viertel volle Flasche. »Ich hole Ihnen gleich ein Glas, Herr Doktor. Aber sagen Sie, wird Herr von Trettin noch einmal aufwachen?«
    Der Arzt betrachtete den Kranken und schüttelte den Kopf. »Ich glaube es nicht. Er hat all seine Kraft verbraucht, um seine Pläne mit Lore in die Tat umzusetzen. Jetzt gleicht er einer abgebrannten Kerze. Am liebsten würde ich ja hierbleiben und an seinem Bett wachen, bis der schwarze Schnitter neben ihn tritt und ihn mit sich nimmt. Zu Hause warten jedoch noch andere Patienten auf mich. Ich komme auf jeden Fall morgen Vormittag wieder vorbei. Bleibst du so lange bei deinem Herrn?«
    »Das wär ja was, wenn ich jetzt gehen würde! Nein, Herr Doktor. Herr von Trettin hat mich immer wie einen Menschen behandelt, und er soll auch wie ein Mensch sterben, auch wenn ihn das Gesindel auf dem Gut am liebsten verrecken lassen würde wie ein Stück Vieh.«
    »Brav, Kord!« Doktor Mütze nickte dem Knecht anerkennend zu und folgte ihm dann in die Küche. Dort schenkte Kord ihm den Rest des Weines ein und lehnte die Einladung, diesen mit dem Arzt zu teilen, mit einer beschwichtigenden Handbewegung ab.
    »Trinken Sie nur, Herr Doktor. Ich habe mir selbst etwas mitgebracht!« Kord holte eine große Steingutflasche aus einem Schrank und stellte sie auf den Tisch. »Das ist selbstgebrannter Wacholderschnaps. Der wird mich warm halten, während ich am Bett meines Herrn wache.«
    »Trink aber nicht zu viel! Sonst wird dir zwar warm, aber du wirst nicht lange wachen können«, mahnte ihn der Arzt.
    »Keine Sorge, Herr Doktor. Ich bleibe wach!« Kord schenkte sich ein Glas ein und trank.
    »Der geht einem durch Mark und Bein«, keuchte er, während ihm die Augen tränten.
    »Diese Flasche Schnaps hat der Herr Steuerassessor wohl nicht zu Gesicht bekommen«, spottete Doktor Mütze.
    »Die nicht und ein paar andere auch nicht«, gab Kord augenzwinkernd zu.
    »Ich werde es nicht weitersagen.« Doktor Mütze klopfte dem Knecht auf die Schulter und ging noch einmal in das Zimmer des Kranken. Dieser lag so starr, als wäre er bereits ein Leichnam. Nur ein leichter Hauch, den der Arzt mit der Hand mehr erfühlte als spürte, zeigte an, dass noch Leben in ihm war.
    »Lebe wohl, alter Freund. Möge Gott es geben, dass wir uns im Paradies wiedersehen.« Mit Tränen in den Augen wandte Doktor Mütze sich ab und ging zur Tür.
    »Ich werde jetzt wieder fahren.« Mit diesen Worten reichte er Kord die Hand und verließ das Haus. Der alte Knecht folgte ihm und half ihm, die Pferde wieder einzuschirren, die er nach Doktor Mützes Ankunft in den kleinen, schon arg mitgenommenen Pferdestall gestellt hatte, um sie vor dem scharfen Ostwind zu schützen.
    Doktor Mütze erwog kurz, ob er die Pferde antreiben sollte, um den Frachtwagen mit Lore vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher