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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nimmt sie dir ab und behauptet hinterher glatt, du hättest nie welche besessen!«
    »Aber ich kann Nati doch nicht diesem Mörder ausliefern!«, protestierte Lore. »Ich muss …«
    »Gar nichts musst du! Nimm dein Herz fest in die Hände, dann kann noch alles gut werden! Solange Ruppert glaubt, Nati würde das Fieber nicht überleben, wird er sie schon nicht umbringen. Du musst jetzt mit ihm gehen und so tun, als liege unsere kleine Lady im Sterben! Meine Brüder haben schon ziemlich dick aufgetragen, weißt du …«
    Lore unterbrach sie erregt. »Nati wird wirklich sterben, wenn sie nicht die richtige Pflege bekommt! Schau, sie hat immer noch etwas Fieber! Ruppert wird sicher nicht zulassen, dass ein Arzt nach ihr sieht.«
    Mary lachte. »Oh, der Schweinekerl wird sicher irgendeinen besoffenen Quacksalber auftreiben, der unsere kleine Lady untersucht und ihr genau das verordnet, was ihr schadet! Wenn Ruppert ihr Vermögen erben will, darf er sich keine Blöße geben, sondern braucht ein ärztliches Attest, dass das Kind nicht mehr zu retten war. Pass auf, Laurie, meine Liebe. Ich habe eine Idee, wie wir diesen Kerl ausschmieren können!«
    Während Lore sich fragte, ob Mary nicht auch zu viele Räubergeschichten in den Zeitungen gelesen hatte, entwickelte diese ihren Plan, um Ruppert zu überlisten, als hätte sie nie etwas anderes getan.
    »Du gehst jetzt ganz ruhig mit diesem Schw… Ruppert mit und hütest unsere Lady Püppchen wie deinen Augapfel. Meine jüngerenBrüder und ihre Freunde werden seine Kutsche verfolgen und aufpassen, wohin er euch bringt. Ich nehme mir noch fünf Pfund aus deinem Geldbeutel. Damit fährt mein ältester Bruder John mit dem Abendzug nach London und versucht, jemanden von der Reederei aufzutreiben, damit der euch hilft. Ich schreibe schnell noch einen Brief, in dem steht, dass der böse Ruppert die kleine Lady Nathalia mitgenommen hat, obwohl sie todkrank ist. Dann kommt gewiss ein Mann vom NDL mit. Dem Herrn zeige ich dann den Brief, den du von Natis Opa erhalten hast, und erzähle ihm auch, dass Ruppert am Tod des Counts schuld ist. Das können sowohl der Kapitän eures Schiffes wie auch die geretteten Passagiere und Matrosen bezeugen.
    Ich mache es ganz dramatisch! Dann wird der Herr sicher mit einem eigenen Anwalt zur Polizei gehen und euch befreien. Na, was sagst du dazu?«
    Lore hätte ein Dutzend Einwände vorbringen können, doch sie wusste keine bessere Lösung. Außerdem nahm die Sorge um Nati ihr Denken voll und ganz in Anspruch. Die Haare und das Nachthemd des Kindes waren nass von Schweiß, und es zitterte am ganzen Körper, als seien die Schüttelfrostanfälle wieder zurückgekehrt.
    Unten brüllte Ruppert schon nach ihr und drohte, die Polizei zu holen, wenn man ihn nicht ins Haus lasse. Aber Joe Penn stand wie ein Fels in der Tür, während Mrs. Penn von Ruppert lautstark die hundert Pfund verlangte, die Lore der Familie für Natis Pflege versprochen hatte. Es war nur ein schwacher Trost, dass Ruppert das Geld tatsächlich herausrückte, um Mrs. Penn, wie er angewidert sagte, »das Maul zu stopfen«.
    Lore trocknete Nati gründlich ab und zog ihr die warme, grobe Kinderkleidung an, die Prudence herbeischleppte. Sie bekam auch genug Ersatzkleidung für die nächsten Tage mit. Allerdings handelte es sich dabei um Jungenkleidung, die Mary und Prudence fürihre kleinen Brüder genäht hatten. Nati ließ das Ganze unbeteiligt über sich ergehen. Sie schien nicht einmal die Kraft zu haben, den Kopf zu heben, und ihre Glieder fühlten sich erbarmungswürdig schlaff an. In Lores Magen breitete sich die Angst wie ein kalter, schneidender Schmerz aus. Sie legte Nati noch einmal in die Wiege und trat neben Mary, die starr aufgerichtet in ihrem Korbstuhl saß und das Kinn auf eine ihrer Krücken gestützt hatte.
    »Ich glaube, Nathalia stirbt«, flüsterte sie.
    Marys Blick kehrte wie aus weiter Ferne zurück und streifte Nati, die vorsichtig über den Rand des Bettes lugte. »O nein!«, antwortete sie ebenso leise. »Lady Püppchen ist gesünder, als du denkst. Sie war heute Vormittag putzmunter und ist erst wieder krank geworden, als sie die Stimme dieses Schweinekerls auf der Straße gehört hat. Sie hat Angst und spielt die Todkranke, weil sie hofft, er würde sie dann in Ruhe lassen. Tu so, als wärst du auch der Meinung, sie sei dem Tode nahe. Dann hilft der Kerl wenigstens nicht sofort nach. Aber pass trotzdem gut auf die Kleine und auf dich auf! Unser Prinzesschen ist

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