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DGB 05 - Fulgrim

DGB 05 - Fulgrim

Titel: DGB 05 - Fulgrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham McNeill , Ralph Sander
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trieb ihren Selbsthass und ihren Hang zur Selbstverstümmelung zu
neuen Höhen. Ihre Arme und Beine waren von frischen Schnitten übersät, um die
Farben mit ihrem Blut mischen zu können.
    Doch das hatte nicht genügt.
    Jeder Tropfen Blut behielt
seine Lebendigkeit nur für kurze Zeit, und in Serenas Kopf setzte sich ein
finsterer Schrecken fest. Sie grübelte, welches Schicksal sie erwartete, falls
sie ihre Arbeiten nicht fertigstellte oder von den anderen belächelt wurde,
weil ihren Werken das fehlte, was Kunst ausmachte.
    Sie schloss die Augen und
versuchte, sich das Licht und die Farben vorzustellen, die den Tempel auf dem schwebenden
Atoll erhellt hatten. Doch die Erinnerung entwischte ihr immer wieder und
verschwand außer Sichtweite. Ihr Blut hatte die Farben ihrer Gemälde verstärkt,
und sie hatte zu noch esoterischeren Flüssigkeiten und Substanzen ihres eigenen
Körpers gegriffen, um die Farben weiter zu verbessern.
    Ihre Tränen ließen die Weißtöne
leuchten, ihr Blut erfüllte das Rot mit Feuer, und ihre Exkremente verliehen den
dunklen Farben eine tiefe Finsternis, die sie nicht für möglich gehalten hätte.
Jede Farbe hatte neue Empfindungen und Leidenschaften geweckt, deren Existenz ihr
bis dahin völlig unbekannt gewesen war. Dass solche Dinge sie noch vor ein paar
Monaten abgestoßen hätten, kam ihr dabei nie in den Sinn, denn ihr ganzes Streben
drehte sich darum, die nächste Stufe der Empfindungen zu erreichen. Die zuletzt
erreichte geriet in Vergessenheit, kaum dass sie sie wahrgenommen hatte. Es war
wie ein Traum, der in dem Moment aus dem Gedächtnis entschwand, da man
aufwachte. Aus Frust hatte Serena irgendwann ein weiteres ihrer Gemälde
zerschlagen, doch das Bersten des Holzrahmens und das Reißen der Leinwand
bereiteten ihr lediglich für einen Moment Lust. Nur ein paar Sekunden später
war sie schon wieder verflogen.
    Sie hatte nichts mehr, was sie
noch geben konnte. Ihr Fleisch war aufgebraucht, es konnte keine weitere
Steigerung der Empfin-dungen mehr leisten. Doch in dem Augenblick, da ihr diese
Tatsache bewusst wurde, fand sie auch schon eine Lösung.
    Serena durchquerte das La
Fenice in Richtung Bar, und obwohl es schon spät am Abend war, hielten sich
dort noch zahlreiche Memoratoren auf, die es nicht fertigbrachten, sich in ihre
Quartiere zurückzuziehen. Ein paar erkannte Serena, doch sie machte einen Bogen
um sie. Sie fuhr sich durchs Haar, das nichts von seinem gewohnten Glanz
aufwies. Wenigstens hatte sie es zusammen-gebunden, um halbwegs vorzeigbar zu
sein. Ihr Blick wanderte über die Gäste an der Bar, und sie lächelte, als sie
Leopold Cadmus entdeckte, der allein an einem Tisch saß, vor sich eine Flasche
mit dunklem Alkohol.
    Bei ihm angekommen, setzte sie
sich zu ihm auf die Bank.
    Argwöhnisch sah er auf, doch
als er erkannte, dass eine Frau ihm Gesellschaft leistete, hellte sich seine Miene
sofort auf. Serena hatte ein Kleid gewählt, das besonders tief ausgeschnitten war,
dazu einen Anhänger, der den Blick automatisch auf ihre Brüste lenkte.
    Leopold enttäuschte ihre
Erwartungen nicht — seine geröteten Augen konzentrierten sich umgehend auf
ihren Ausschnitt.
    »Hallo Leopold«, begrüßte sie
ihn. »Ich bin Serena d'Angelus.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Sie sind
Delafours Freundin.«
    »Richtig«, bestätigte sie
lächelnd.
    »Aber reden wir doch nicht über
ihn, sondern über Sie.«
    »Über mich? Wieso?«
    »Weil ich einige Ihrer Gedichte
gelesen habe.«
    »Oh«, machte er und sank in
sich zusammen. »Wenn Sie hergekommen sind, um meine Arbeiten zu kritisieren,
dann sparen Sie sich die Mühe. Ich habe keine Kraft mehr, mir noch eine
verdammte Kritik anzuhören.«
    »Ich bin keine Kritikerin«,
beteuerte sie und legte ihre Hand auf seine. »Es hat mir gefallen.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, tatsächlich!«
    Seine Augen leuchteten auf,
seine Miene wechselte von der eines schlecht gelaunten Trinkers zu jämmerlicher
Verzweiflung. Der schwache Hoffnungsschimmer, ein Lob zu hören, verdrängte
jeden Argwohn.
    »Ich möchte, dass Sie mir mehr
davon vorlesen«, erklärte sie.
    Er trank einen Schluck aus der
Flasche.
    »Ich habe keines meiner Bücher
bei mir, aber ich ...«
    »Das macht nichts«, unterbrach
sie ihn.
    »Ich habe eins in meinem
Atelier.«
     
    »Gefällt es Ihnen, in einem
solchen Chaos zu arbeiten?«, fragte Leopold und rümpfte die Nase über den
Geruch in ihrem Atelier.
    »Wie finden Sie hier
irgendetwas wieder?«
    Vorsichtig stieg er über

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