DGB 13 - Nemesis
Soalm, dass es sich in Wahrheit gar nicht um ein Bauwerk handelte,
sondern um kleines Schiff. Ein Großteil des Kiels war in der aufgeplatzten
rötlichen Erde versunken. Dahinter fanden sich die hoch aufragenden verrosteten
Reste eines Anlegeplatzes, was deutlich machte, dass dies hier früher einmal
ein Flussbett gewesen war. An einer Seite des alten Schiffs waren Zelte
aufgebaut worden, in denen Licht brannte. »Sind die Leute hier alle von
Dagonet?«
»Zum Teil sind sie auch von
anderen Welten entlang der Achse«, sagte der Mann. »Manche waren auf einer
heimlichen Pilgerfahrt gewesen. Seit die Clans den Umsturz in die Wege geleitet
haben, sitzen sie hier fest.«
»Pilgerfahrt?«, wiederholte
sie. »Aus welchem Grund?«
»Das werden Sie noch sehen«,
antwortete er nur und zog eine schwere stählerne Luke auf, damit sie eintreten
konnte.
Das alte Schiff war mal ein
Frachter gewesen, vielleicht ein ziviler Transporter, der zu einem Ableger des
Kolonial-Adiministratums gehört hatte. Jetzt waren von ihm nur noch die vom
Sand blank geriebene Hülle und die verrosteten Rahmen der Decks übrig. Das
Skelett des Schiffs war mit neuen Wänden aus Steinen oder aus dem Stahl von
Frachtcontainern versehen worden. Die Tür fiel mit einem dumpfen Knall hinter
ihr zu, und sofort verstummte der kräftige Wind. Nur ein paar Ranken aus kalter
Luft verwehten etwas von dem Sand, der sich hinter dem Eingang auf dem Boden
gesammelt hatte.
»Kind!« Sinope kam auf sie zu,
Tränen standen ihr in den Augen.
»Oh, Kind, Sie sind tatsächlich
gekommen. Thron segne Sie.«
»Es ging nicht anders«, sagte
die Venenum. »Ich musste das tun.«
Sinope lächelte sie flüchtig
an. »Daran habe ich nie gezweifelt. Und ich weiß, ich habe Sie damit um etwas
Schwerwiegendes gebeten. Ich habe Sie in Gefahr gebracht.«
»Ich war auf einer Mission, an
die ich nicht geglaubt habe«, antwortete sie. »Sie haben mich darum gebeten,
eine andere Mission zu übernehmen, für eine Sache, an die ich glaube. Ich
musste also gar nicht wählen.« Die Adlige nahm ihre Hand. »Ihre Kameraden
werden das nicht so sehen. Sie werden sich vielleicht von Ihnen lossagen.«
»Wahrscheinlich ja«, erwiderte
Soalm.
»Aber was ich für meine Familie
gehalten hatte, habe ich ohnehin vor langer Zeit verloren. Seitdem habe ich
mich nur mit den Menschen verwandt gefühlt, die den Gott-Imperator so kennen
wie wir.«
»Wir sind jetzt deine Familie«,
erklärte Sinope. »Wir alle.« Soalm nickte, da sie wusste, die Frau hatte recht.
Sie fühlte sich befreit.
»Ja, das sind Sie.« Aber der
Augenblick der Freude währte nicht lange, da ihr die Nachricht einfiel, die das
Stimm-Medaillon abgespielt hatte.
Sie zog das Objekt aus der
Tasche und drückte es in Sinope schmale, faltige Hand. »Wie kann ich Ihnen
heifen?« Das gestrandete Schiff war wie das umgebende Lager von Menschen
überlaufen, und Soalm stellte bei ihnen allen den gleichen Gesichtsausdruck
fest: eine sonderbare Mischung aus Angst und Hoffnung. Mit wachsendem Schrecken
wurde ihr klar, dass diese Empfindungen ihr galten.
»Tros sprach davon, dass hier
Flüchtlinge von ganz Dagonet und auch von anderen Welten zusammengekommen sind.«
Sinope nickte, während sie
weitergingen. »Ich hoffe ... ich bete, dass es weitere Verstecke in der Wildnis
gibt, in denen man sich ebenfalls versammelt hat. Es wäre traurig, wenn ich
sagen müsste, dass dies hier alle sind.«
»Aber allein hier müssen es
doch schon Hunderte von Leuten sein.«
Wieder reagierte sie mit einem
Nicken.
»Vierhundertsechzehn, als wir
das letzte Mal gezählt haben. Überwiegend Dagoneti, aber auch eine Handvoll
Besucher von anderen Weiten der taebianischen Sterne.« Sie seufzte.
»Sie haben einen so weiten Weg
zurückgelegt und so viel geopfert ... und nun werden sie niemals heimkehren
können.«
»Hilfe ist auf dem Weg hierher.«
Soalm hatte diese Lüge in den letzten Wochen so oft erzählt, dass sie ihr
völlig automatisch über die Lippen kam.
Die Adlige stutzte und warf ihr
einen Blick zu, der verriet, dass sie sie durchschaut hatte. »Wir wissen beide,
dass das nicht stimmt. Der Gott-Imperator wird angegriffen, und sein Überleben
ist um ein Vielfaches wichtiger als imseres.«
Sie machte eine ausholende
Geste.
»Wenn wir sterben müssen, damit
Er die Galaxis retten kann, dann werden wir diesen Preis gern zahlen. Wir werden
uns danach ohnehin an seiner Seite wiederfinden.« Sinopes stiller Glaube sprang
auf Soalm über, und sie
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