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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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Tak«, sagte er und ging über das Dach.
    Sie holte ihn ein; ihr Kopf hing herab und machte ein Geräusch, das er für Weinen hielt. Er berührte sie an der Schulter, und sie blickte ihn mitten in einem unterdrückten Kichern an.
    Er schnalzte mit den Zähnen. »Laß uns gehen.«
    »Was ist mit Jack?« fragte sie.
    »Huh? Fuck Jack. Wir werden ihn wohl nicht mitnehmen.«
    »Oh, klar, ich meine nur . . .« und folgte ihm zum Treppenhaus. »Heh, gute Nacht Tak!« rief er. »Bis bald.«
    »Yeah«, sagte Loufer von der Tür zur Hütte her, ging hinein: Das Haar auf seiner Schulter und die Seite seines Kopfes schimmerten im Gegenlicht.
    »Gute Nacht«, echote Lanya.
    Die Metalltür quietschte.
    Ein Stock tiefer in der Dunkelheit fragte sie: »Bist du sauer auf Tak . . . wegen irgend etwas?« Dann sagte sie: »Ich meine, manchmal ist er schon komisch. Aber er ist -«
    »Ich bin nicht sauer auf ihn.«
    »Oh.« Ihre Schritte durchtrennten die Stille.
    »Ich mag ihn.« Sein Ton verriet Entschiedenheit. »Yeah, er ist ein guter Typ.« Notizbuch und Zeitung trug er unter dem Arm.
    Ihre Finger glitten in der Dunkelheit zwischen seine. Er mußte sie nah bei sich halten, damit das Notizbuch nicht herabfiel.
    Am Fuß der nächsten Treppe fragte sie plötzlich: »Macht es dir etwas aus, wenn du nicht weißt, wer du bist?«
    Am Fuß der nächsten sagte er »Nein.« Dann fragte er sich, wegen ihrer schneller werdenden Schritte (auch er wurde schneller, um mitzuhalten), ob sie das aufregte wie seine Hände.
    Schnell und sicher führte sie ihn durch den Kellerflur - jetzt war der Beton kalt - und wieder hoch. »Hier ist die Tür«, sagte sie und ließ ihn los; sie ging an die Seite.
    Er konnte überhaupt nichts sehen.
    »Nur ein paar Stufen.« Sie ging voraus.
    Er hielt sich unsicher am Türpfosten fest und tastete sich dann mit dem nackten Fuß nach vorn . . . auf Holz. Mit der anderen Hand hielt er Notizbuch und Zeitung vor das Gesicht, streckte den Arm aus.
    Vor ihm, von unten sagte sie: »Komm.«
    »Paß auf die Kante auf«, sagte er. Seine Zehen und Fußballen gingen über den Rand und hingen frei. »Und diese verdammten Fleischerhaken.«
    »Huh . . .?« Dann lachte sie. »Nein - das ist doch auf der anderen Straßenseite.«
    »Ist es zum Teufel nicht«, sagte er. »Als ich hier heute morgen rausgerannt kam, habe ich mich fast aufgespießt.«
    »Du mußt dich verlaufen haben -« sie lachte immer noch, »unten im Keller! Komm, es sind nur ein paar Stufen.«
    Im Dunkeln runzelte er die Stirn (dachte: Da war doch eine Lampe an dieser Straßenecke. Ich habe sie vom Dach gesehen. Warum kann ich nichts sehen . . .) ließ den Türpfosten los, ging . . . abwärts: Noch eine Planke, die quietschte. Immer noch hielt er den Arm vors Gesicht, fühlte nach den schwingenden Haken.
    »Einer der Flure im Keller«, erklärte sie, »führt unter der Straße her und mündet hinter einer Tür zur Laderampe hier gegenüber. Die ersten paar Mal, als ich bei Tak war, ist mir das auch passiert. Beim ersten Mal denkst du, du wirst verrückt.«
    »Huh?« sagte er. »Unter der Straße?« Er senkte den Arm.
    Vielleicht (die Möglichkeit erschien so erleichternd wie frische Luft in diesen raucherstickten Straßen) hatte er vom Dach nur auf der anderen Seite heruntergeblickt, und deshalb war hier keine Laterne. Seine Beidhändigkeit ließ ihn immer öfter rechts und links verwechseln. Er ging noch zwei Holzstufen hinab, kam aufs Pflaster.
    Er fühlte, wie sie sein Handgelenk ergriff. »Hier entlang.« Schnell führte sie ihn durch die Dunkelheit, über Bordsteine, aus vollständiger Dunkelheit in etwas hellere und wieder zurück. Es war noch verwirrender als die Kellerflure. »Jetzt sind wir im Park, oder . . .?« fragte er Minuten später. Er hatte nicht nur den Eingang übersehen, sondern wußte in dem Moment, in dem er aus seinen Gedanken auftauchte, um etwas zu sagen, nicht wie viele Minuten es her war. Drei? Dreizehn? Dreißig?
    »Ja . . .« sagte sie, verwundert über sein Erstaunen.
    Sie gingen über weiche, aschene Erde.
    »Hier«, sagte sie zu ihm. »Wir sind an meinem Platz.«
    Die Bäume raschelten.
    »Hilf mir, die Decke ausbreiten.«
    Er dachte: Wie kann sie bloß etwas erkennen? Eine Ecke der Wolldecke fiel über seinen Fuß. Er ließ sich auf die Knie fallen und zog die Ecke gerade; fühlte, wie sie zog, wie das Ziehen nachließ.
    »Zieh dich ganz aus . . .« sagte sie sanft.
    Er nickte und knöpfte sein Hemd auf. Er hatte es auch hier gewußt.

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