DHAMPIR - Blutsverrat
sanften Worten aber nicht die Sorge aus Leesil vertreiben. »Ich kriege keine klaren Antworten von meinen Kontaktleuten, doch man munkelt von einem Kampf bei der Brücke. Soldaten verfolgten eine große Frau und einen Wolf durch eine Taverne im Osten der Stadt. Niemand weiß, was danach passiert ist.«
»Was?« Leesil packte Byrd am Kragen seiner dicken Wollkleidung. »Du hast Magiere geraten, zu Darmouth zu gehen!«
Byrds Miene verfinsterte sich, und er versuchte, vor Leesil zurückzuweichen.
Leesil stieß ihn von sich. Zu viel war schiefgegangen, seit sie nach Venjètz gekommen waren. So schlau und listig Byrd auch sein mocht e – er plante Darmouths Ermordung und stand gleichzeitig in seinen Diensten; er war mit den Anmaglâhk verbündet und lebte noc h – , warum wusste er immer so wenig ausgerechnet von den Dingen, auf die es ankam?
Die Hintertür schwang auf, und Magiere und Chap kamen herein.
Ihr Haar hatte sich gelöst, und beide waren außer Atem. Leesil ließ Byrd los und nahm Magiere in die Arme. Für einen Moment ließ sie sich von ihm halten, und dann wich sie zurück. Ihr Gesicht war schmutzig, und an ihrer Kleidung bemerkte Leesil Strohhalme.
»Sie haben Wynn geschnappt«, sagte sie. »Du hattest recht. Es war eine Falle. Und sie haben Wynn statt meiner erwischt.«
Leesil war über Magieres Rückkehr so erleichtert gewesen, dass er gar nicht an Wynn gedacht hatte. »Wann geschah das?«
Magiere schüttelte den Kopf. »Kurz nach unserem Aufbruch. Wir mussten fliehen, und ich habe sie in die andere Richtung geschickt, davon überzeugt, dass die Soldaten mir folgen würden. Ich hörte, wie sie um Hilfe rief, aber ich konnte nicht zu ihr zurück.«
Chap knurrte plötzlich, und Leesil beobachtete, wie er die Zähne bleckte und sich Byrd näherte. Als Leesil den Blick wieder hob, stellte er fest, dass Magieres Augen schwarz waren.
»Du heuchlerischer Mistkerl!«, zischte sie und sprang an Chap vorbei.
Leesil hörte das Knacken ihrer Faust, noch bevor er sich umwandte. Byrd prallte gegen den Küchenherd, drehte sich und hob seine großen Hände. Magiere kam erneut auf ihn zu.
»Du hast uns verraten!«, rief sie.
Leesil wollte sie an der Taille festhalten, aber dadurch gewann Byrd nur Zeit genug, zur Seite auszuweichen. Chap lief um den Tisch herum und schnitt Byrd den Weg zur Tür ab.
Byrd ließ die Maske des Wirts fallen. Alle Verstellung verschwand aus seinem Gesicht, und er richtete einen durchdringenden Blick auf Magiere. Er nahm den linken Fuß ein wenig zurück und brachte sich damit in eine Position, die es ihm gestattete, entweder Magiere oder Chap anzugreifen. Mit der rechten Hand tastete er nach dem Rücken, und Leesil erinnerte sich daran, dort einmal ein Messer unter dem Hemd gesehen zu haben.
»Darmouth unterdrückt mein Volk«, sagte er. »Aber ich würde euch nicht an ihn verraten. Es brächte mir nichts ein.«
»Wie kann er sonst von uns erfahren haben?« Magiere sprach noch immer sehr laut. »Wynn ist seine Gefangene, und du steckst mit den mörderischen Anmaglâhk unter einer Decke. Ich habe genug von deinen Lügen!«
Byrd blieb wachsam und behielt Magiere und Chap im Auge, aber seine Worte galten Leesil. »Wie ich dir schon sagt e … Meine Ziele haben nichts mit dir zu tun.«
»Faris weiß von Leesil«, fuhr Magiere fort. »Vielleicht weiß er sogar, wo sich Leesil befindet. Und das bedeutet: Darmouth weiß es ebenfalls. Warum sonst sollten seine Männer versuchen, mich gefangen zu nehmen? Er wollte mich als Werkzeug benutzen, um Leesil zu erreichen.«
Leesil hatte keine Ahnung, woher Magieres Informationen stammten, aber gewisse Dinge ergaben plötzlich einen Sinn. Er hatte halbherzig glauben wollen, dass Byrd ihn nicht benutzte, zumindest noch nicht, und mit dieser Einstellung hatte er Magiere, Wynn und Chap in Gefahr gebracht. Es war sein Wunsch gewesen, sie nicht zu sehr in die Dinge zu verwickeln, die ihn betrafen, aber er hatte ihrem riskanten Plan nachgegeben, in der vagen Hoffnung, auf diese Weise vielleicht zu erfahren, was mit seinen Eltern geschehen war. Und Byrd hatte sich ausdrücklich für den Plan ausgesprochen.
Leesil stöhnte innerlich, als er spürte, wie sich der Schrecken seiner Vergangenheit auf die Gegenwart übertrug. Seine Schwäche hatte dazu geführt, dass sich Wynn jetzt in Darmouths Gewalt befand. Aber es ging um mehr als die Suche nach zwei vermissten Personen. Um viel mehr.
»Glaubst du, den hiesigen Leuten zu helfen, wenn du Darmouth
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