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DHAMPIR - Blutsverrat

DHAMPIR - Blutsverrat

Titel: DHAMPIR - Blutsverrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb & J. C. Hendee
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dünnen Lippen zusammen, und neue Sorge erschien in ihrem Gesicht. Sie blinzelte langsam, und ihr Gesichtsausdruck wurde neutra l – vor Leesil stand wieder die beherrschte, zurückhaltende Nein’a.
    »Du hast etwas gehört, nicht wahr?«, fragte sie.
    Leesils Mutter streckte eine weiche Hand aus. Schmale, zerbrechlich wirkende Finger berührten seine Wange, und dann spürte er ihre warme Handfläche. Sie schien zu wissen, was in ihm brodelte.
    »Versuche nie, vom Schicksal jener zu erfahren, die von deinen Aufträgen betroffen sind. Wir dienen und überleben. Du, dein Vater und ich, wir leben füreinander. Denk nur an uns und an dich, und halte dich an deine Anweisungen. Trenne dich von allem anderen, denn es wird dir nichts Gutes einbringen.«
    Sie strich ihm das weißblonde Haar aus dem Gesicht, und Leesil nickte und zeigte damit, dass er verstand und akzeptierte.
    Jenes Nicken war die erste Lüge für seine Mutter.
    Die nächsten Tage verliefen ruhig. Leesil beobachtete vom Haus aus die Straße oder wanderte durch die Stadt, die Kapuze dabei tief ins Gesicht gezogen. Er ließ Chap zurück, wenn er aufbrach, obwohl der Hund jedes Mal knurrte und bellte, wenn er eingesperrt wurde. Leesils Aufmerksamkeit galt insbesondere den Reitern, Männern in Rüstungen und gut gekleideten Adligen mit ihrem Gefolge. Ein Tag nach dem anderen verging, und er fragte sich, ob seine Mutter recht hatte. Eines Tages kehrte er kurz vor der Abenddämmerung heim und kam am Wachhaus an der Brücke vorbei.
    Ein hochgewachsener Mann mit rotem Haar kam über die Steinbrücke. Er hatte Sommersprossen im Gesicht und saß auf einem prächtigen braunen Streitross. Berittene in Lederrüstungen und gelben Wappenröcken folgten ihm. Leesil ging schnell weiter, brachte das Wachhaus hinter sich und setzte den Weg nach Hause fort. Als er hörte, wie sich die Pferde hinter ihm in seine Richtung wandten, trat er rasch in den nächsten Seitenweg. Dort wartete er darauf, dass die Reiter vorbeikame n – er mochte es nicht, jemanden hinter sich zu haben.
    Der rothaarige Adlige schenkte Leesil keine Beachtung, ebenso wenig seine Männer. Eine kleinere Gestalt auf einem Rotschimmel ritt zwischen ihnen, in einen pelzbesetzten Umhang gehüllt, der sogar ihre Hände verbarg. Eine junge Frau, erkannte Leesil. Die Zügel ihres Pferds hielt ein Adliger, der neben ihr ritt. Andere Beobachter hätten ihn für ihren Vater gehalten, Unwissende, die nicht das Porträt von Baron Progae und seiner Familie gesehen hatten.
    Hedí Progaes leere Augen lagen tief in den Höhlen, und schlaflose Nächte hatten dunkle Ringe unter ihnen hinterlassen. Ihre Lippen waren spröde, und der Mund stand ein wenig offen. Während der Atem der Wächter in der kalten Luft zu dichten grauen Wolken kondensierte, war er bei Hedí nur eine kleine, zerfasernde Fahne. Es schien nur noch wenig Leben in ihr zu stecken.
    Der Adlige ritt weiter, gefolgt von seinem Besitz.
    Leesil sah Hedí Progae nach und wurde taub im Innern.
    Sie war Besitz. Sie alle hier waren Besitz. Gehorsame Sklaven, die das Notwendige taten, um einen weiteren Tag zu überleben.
    Hinter einer Kurve geriet die Prozession außer Sicht.
    Leesil merkte gar nicht, dass er nach Hause wankte, und er wurde sich erst wieder der Umgebung bewusst, als er in der Küche stand. Seine Mutter kam nicht zu ihm und der Vater auch nicht. Das einzige Geräusch stammte von Krallen, die über den Boden kratzte n – Chap lief zur Küche, um zu sehen, wer eingetroffen war.
    Leesil sah sich wie verzweifelt um, als er den Hund hörte. Er wollte niemanden in seiner Nähe haben. Rasch hob er die Kellerluke, sprang durchs Loch und schloss die Luke über sich. Ohne Licht war es unten stockfinster, selbst für seine Elfenaugen. Er kroch in die hinterste Ecke des Kellers, weit von der Luke entfernt, und kauerte sich dort zusammen.
    Chap kratzte an der Luke, und Leesil hörte sein gedämpftes Jaulen. Er riss sich den Mantel vom Leib, drückte die Hände an die Ohren, saß zitternd in der Finsternis und Kälte und wartete darauf, dass sich die Taubheit in ihm ausbreitete, vom Körper auf die Gedanken überging.
    Bis er gar nichts mehr fühlte und nur noch die Stimme seiner Mutter hörte, die ihm sagte:
    Tu, was nötig ist.
    Er hatte es getan, wieder und immer wieder. Sechs Jahre lang hatte er für Darmouth getötet.
    Stille umgab ihn.
    Leesil begriff, dass er auf dem Bett des Zimmers saß, das er mit Magiere teilte.
    Ein heilloses Durcheinander herrschte

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