Dhampir - Götterjagd
dann können wir finden, was du suchs t … und noch mehr.«
Mit einem gedämpften Bellen pflichtete Chap der jungen Weisen bei. Leesil, Sgäile und Osha wirkten noch unsicherer als vorher.
»Kommst du mit?«, wandte sich Wynn erneut an Li’kän.
Der Mund der weißen Untoten bewegte sich plötzlich nicht mehr. Ruckartig bewegte sie den Kopf, wodurch ein Wogen durch ihr langes schwarzes Haar ging. Zitternde Lider kamen nach oben, und die farblosen Augen richteten sich auf die junge Weise. Wynn trat halb hinter Magiere.
Li’kän musterte sie und versuchte vielleicht zu entscheiden, ob sie eine Beute wär e – diesen Eindruck gewann Wynn jedenfalls. Dann setzte sie sich langsam in Bewegung und zögerte bei jedem Schritt.
Magiere ging zum linken Korridor. Chap blieb dicht hinter ihr und sah über die Schulter zurück.
Warum musst du den anderen von meinen Sorgen berichten?, tadelte er sie.
Wynn antwortete nicht, als sie ihm zusammen mit Li’kän folgte.
Osha wollte vortreten, aber Sgäile zog ihn zurück. Leesil wartete ebenfalls. Als die Untote Wynn in den Korridor gefolgt war, machten sich auch die beiden Elfen und Leesil auf den Weg.
»Ich musste irgendetwas sagen«, flüsterte Wynn Chap zu. »Du hast Magieres Gesicht gesehen. Von Sgäiles ganz zu schweigen.«
Vielleicht habe ich mich geirrt.
Der jungen Weisen drehte sich fast der Magen um. Chap stellte seine eigenen Aussagen sonst nie infrage.
Li’kä n ist untot und verrückt. Wir können ihr nicht trauen. Wenn sie seit dem Vergessenen Krieg hier ist, war sie vermutlich an ihm beteiligt.
Wynn schaute zurück.
Li’kän ging dicht hinter ihr, und im düsteren Korridor wurde ihr weißer Körper grau. Leesils Amulett leuchtete orangefarben.
Wynn befand sich zwischen zwei natürlichen Feinden: auf der einen Seite eine Untote, unermesslich alt, auf der anderen eine Dhampir, eine Jägerin der Untote n – und doch geboren, um sie zu führen.
Magiere erreichte das Ende des Korridors und betrat einen großen Raum. Zuerst konnte Wynn in der Dunkelheit kaum etwas erkennen, nur hohe Schemen, wie frei stehende Wände, die einen riesigen Saal unterteilten. Leesil kam näher, und das Glühen seines Amuletts verbreitete etwas Helligkeit.
Die steinernen Trennwände gewannen deutlichere Konturen, und Wynn wankte stumm zu den nächsten beiden.
Regale zogen sich an den Wänden entlang und reichten bis weit nach oben. Pergamente ruhten darin, manche von ihnen halb zu Staub zerfallen. An anderen Stellen lagen oder standen Schriftrollen aus Holz, Metall, Knochen oder Horn. Hinzu kamen zahlreiche Bündel und in Eisenplatten oder Leder gebundene Bücher. Es gab noch mehr steinerne Regalwände, doch sie verschwanden in der Dunkelhei t – das Licht des Amuletts reichte nicht weit genug, sie der Finsternis zu entreißen.
Wynn begriff, dass sie in einer alten Bibliothek stand, vielleicht der ältesten, die jemals von einem Mitglied ihrer Gilde gefunden worden war. Ihr schwindelte, als sie an den Wert des Wissens dachte, das sich hier im Lauf von Jahrhunderten angesammelt hatte. Die Schatten verdichteten sich um sie herum, als sie zwischen die nächsten Regalwände trat und nach oben sah, zu den Fächern weit über ihr.
»Wynn!«, rief Osha. »Wo bist du?«
Sie holte den Kaltlampen-Kristall aus der Manteltasche. Es ging noch immer fahles Licht davon aus, das heller wurde, als Wynn ihn rieb und dann nach Osha Ausschau hielt. Er stand ein Stück entfernt, die Mäntel in den Armen. Plötzlich sprang Li’kän vor und lief an den Regalwänden entlang.
»Wynn!«, rief Osha erneut, lauter diesmal.
Li’käns Augen funkelten im weißen Licht des Kristalls, und Wynn wagte sich noch tiefer in die Schatten zwischen den Regalen. Die Untote näherte sich langsam, und ihre Finger strichen über die Wände zu beiden Seiten. Wynn wich noch etwas mehr zurück. Aber die weiße Frau blieb stehen, reckte den Hals, hob die Hand und griff nach einem staubigen Buch.
Ihre schmalen Finger öffneten es und blätterten darin.
Plötzlich erschien Schmerz in ihrem Gesicht. Wynn vergaß die Gefahr und schnappte laut nach Luft, als das alte Buch zerfiel. Dann hörte sie ein lautes Schnaufen und sah auf.
Li’käns Blick huschte über die Regale, und sie griff nach dem fleckigen Metallgehäuse einer Schriftrolle. Plötzlich grub sich ihr eine behandschuhte Hand ins schwarze Haar.
Wynn hörte Magieres knurrende Stimme. »Weg von ihr!«
Magiere zerrte an Li’käns Haar, und der Kopf der
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