Dhampir - Halbblut
hatte Leesil beschlossen, den Schmied mit einem Kartenspiel in einer anderen Taverne aufzumuntern.
Magiere versuchte, sich mit diesem Gedanken zu trösten. Ja, Leesil war mit Brenden woanders hingegangen; vermutlich saßen die beiden jetzt irgendwo an einem Pharo-Tisch. Doch ihre Hoffnungen waren ein hysterischer Versuch, sich Sicherheit vorzugaukeln, und das wusste sie auch.
Nein, Leesil hatte gesagt, dass er nicht lange fortbleiben würde.
Als Magiere am hinteren Fenster vorbeiging, bemerkte sie etwas Weißes. Sie drehte sich um und sah Brendens Hemd. Er lag neben dem Holzstapel, nicht weit von den verblassenden Flecken entfernt, die Elizas Blut hinterlassen hatte.
»Nein!«
Sie lief durch die Hintertür nach draußen und ging neben dem Schmied in die Hocke. Seine Haut war weiß, die Kehle dunkelrot und aufgerissen. Sonderbarerweise zeigte sich kein Entsetzen in seinem Gesicht. Ganz im Gegenteil: Es wirkte friedlicher als jemals zuvor. Das rote Haar und das dunkelrote Blut am Hals bildeten einen auffallenden Kontrast zur weißen Haut.
Auf dem Boden zeigte sich nur wenig Blut. Wer auch immer ihm die Kehle zerfetzt hatte: Er schien darauf bedacht gewesen zu sein, jeden Tropfen zu trinken. Magiere versuchte, neutralen Abstand zu dem zu wahren, was sich ihren Blicken darbot, aber sie brachte es einfach nicht fertig.
Brenden war der einzige wirklich tapfere Bürger dieser Stadt gewese n – nur er hatte ihr und Leesil geholfen. Und was hatte ihm seine Tapferkeit eingebracht? Wie war seine Bereitschaft, ihnen Hilfe zu leisten, belohnt worden? Mit dem Tod.
Magiere streckte die freie Hand aus und berührte Brendens Bart. Von dort aus glitt die Hand zur Kehle, und ihre Finger tasteten am Hals entlang, wie in der Hoffung, noch einen Puls zu fühlen. Nichts. Sie wusste bereits, dass er tot war und sie nichts mehr für ihn tun konnte. Diesmal war sie es, die einen Preis bezahlte, und er bestand aus tiefem Kummer.
Magiere erinnerte sich daran, wie er an jenem Morgen vor der Taverne gestanden, Ellinwood den Weg versperrt und ihr Zuhause geschützt hatte.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie ihm zu. »Es tut mir alles so leid.«
Welstiel hatte recht. Sie hätte nachsehen sollen. Sie hätte nach den Körpern der Untoten suchen müssen, um sich zu vergewissern, dass ihre Existenz tatsächlich ausgelöscht war. Stattdessen hatte sie zugelassen, dass Leesil und Brenden einfach nach draußen gegangen waren. Letztendlich war es ihre Schuld.
Magiere ließ ihr Falchion fallen, schlang die Arme um die Knie und schaukelte vor und zurück. Es war zu viel für sie.
Einfach zu viel.
Ein gespenstisches Heulen kam aus der Ferne und weckte Magiere aus ihrer Passivität.
Sie hob ihr Falchion auf, verließ den Hof und lief auf die Straße vor Brendens Schmiede.
Chaps Heulen erklang erneu t – der Hund hatte mit der Jagd begonnen.
17
Nachdem Leesil Brenden bei seiner Hütte zurückgelassen hatte, machte er sich auf den Weg zurück zum »Seelöwen«, überlegte es sich dann aber anders. Er wollte noch etwas mehr Zeit für sich, bevor er heimkehrte, und deshalb wandte er sich in Richtung Meer.
Er hatte Mitleid mit Brenden, aber ihn beunruhigte auch die Erkenntnis, dass er sich wünschte, seinem Freund die Wahrheit erzählen zu könne n – vielleicht nicht die ganze Wahrheit, aber doch den Teil, der Magiere und ihn betraf, wie sie sich über mehrere Jahre hinweg den Lebensunterhalt verdient hatten. Wie würde der Schmied reagieren, wenn er erfuhr, dass er bei der Jagd nach Untoten sein Leben in Begleitung von zwei Personen riskiert hatte, die von solchen Geschöpfen vielleicht noch weniger wussten als er?
Andererseits: Sie hatten alle überlebt und waren erfolgreich gewesen. Vielleicht spielte die Wahrheit keine Rolle.
Vor ihm erstreckten sich Sand und Kies an der bewaldeten Küste entlang bis zum Hafen. Wellen rollten an den Strand, und im Mondschein wirkte die Szene seltsam beruhigend.
Leesil versuchte, alle seine Sorgen beiseitezuschieben und sich allein auf den Moment zu besinnen. Natürlich suchten ihn einige alte Erinnerungen ständig heim, ganz gleich, was geschah. Aber in dieser Nacht war der Strand friedlich, Magiere lebte, und Brenden mochte imstande sein, um seine Schwester zu trauern und über ihren Verlust hinwegzukommen. Und Chap erholte sich. Was konnte man sich vom Leben mehr erhoffen?
Er schlenderte über den Strand, und es dauerte nicht lange, bis er an das Dach der Taverne dachte, und daran, Magiere um einen
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