Dhampir - Halbblut
jetzt ein Einzelbett mit vier Pfosten und verblassten meergrünen Vorhängen. Der frühere Inhaber schien ledig gewesen zu sein oder zumindest allein geschlafen zu haben. Eine dicke Daunendecke lag auf dem Bett und darauf Magieres Rucksack, ihr Messer und das Falchion.
Hitze vom Feuer in der Küche stieg durch den steinernen Rauchabzug in der Ecke auf und half dabei, das Zimmer zu heizen. Doch der Holzboden unter ihren bloßen Füßen fühlte sich recht kalt an. Dem Bett gegenüber an der Wand stand ein Kleiderschrank aus dunklem Holz, davor ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Auf dem Tisch brannten zwei dicke weiße Kerzen. Magiere öffnete den Rucksack, um ihre Sachen im Schrank zu verstauen.
SiezogeinsegeltuchumhülltesBündelganzuntenausdemRucksack.JahrelanghatteesdortuntengelegenundindieserZeitvieleFaltenbekommen.DasBündelwarverschnürtundsolangenichtgeöffnetworden,dasssichdieKnotennichtlösenließen.MagieremusstedieSchnüremitdemMesserdurchschneiden.EsenthielteindunkelblauesBrokatkleidmitschwarzemSchnürleib.TanteBiejahatteihrdasKleidvorJahrengeschenkt.
Magiere zog es rasch an und hatte gewisse Schwierigkeiten mit dem Schnürleibchen. Geistesabwesend befingerte sie die Metallkette des Knochen-Amuletts, ließ es dann sinken und zwischen ihren Brüsten neben dem Topas ruhen. Es waren bedeutungslose Kinkerlitzchen, Teil ihrer Rolle als Jägerin. Magiere wusste nicht recht, warum sie sich dagegen entschied, die beiden Amulette abzulegen. Es erschien ihr einfach seltsam, sich nach all den Jahren davon zu trennen.
Es gab einen Spiegel, und als Magiere sich darin betrachtete, kam es ihr komisch vor, sich in einem Kleid zu sehen und nicht in Stiefeln und Leder. Sie fühlte sich versucht, das Brokatkleid wieder auszuziehen, aber ihre Ledersachen fehlten, und der Rucksack enthielt sonst kaum etwas; deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als das Kleid anzubehalten.
Sie wandte sich vom Spiegel ab und begann damit, ihre Dinge in den Schrank zu legen.
Ihre abgenutzte Decke, die Teekanne und ein kleiner Stapel Unterwäsche ließen den Kleiderschrank noch leerer aussehen als vorher. Die geringe Größe des Zimmers war eigentlich eine Erleichterung, denn Magiere hatte nur wenige persönliche Dinge, um es zu füllen.
»Bei allen toten Göttern«, ertönte Leesils Stimme hinter ihr. Magiere wirbelte herum. »Was hast du mit dir angestellt?«
Er hatte sich ebenfalls gewaschen, stand nun, die rechte Hand an der Klinke, in der offenen Tür, gekleidet in einen Bademantel wie der, den Magiere eben abgelegt hatte. Das feuchte schulterlange Haar war über die Ohren nach hinten gestrichen und hatte im matten Kerzenschein die Farbe von Strandsand. Aber er sah noch immer wie er selbst aus und starrte Magiere wie eine Fremde an, die sich unbemerkt eingeschlichen hatte.
Magiere wurde sich auf sehr intensive Weise ihres Erscheinungsbilds bewusst: das Schnürleibchen, das lange schwarze Haar offen auf den Schultern. Plötzlich wünschte sie sich den zu großen Bademantel zurück.
»Beth-rae hat meine Sachen mitgenommen, um sie zu waschen«, sagte sie scharf. »Und du solltest besser aufpassen. Wahrscheinlich verbrennt sie deine, wenn man bedenkt, in welchem Zustand sie waren.«
»Wo hast du das gekauft?«, fragte Leesil und kam ins Zimmer.
Magiere stellte fest: Wenn sie beide keine Stiefel trugen, war er nur wenig größer als sie.
»Klopfst du nicht an, oder hast du beim Schlafen auf dem Boden alle deine guten Manieren verloren?«, erwiderte sie. »Ich habe das Kleid nicht gekauft. Meine Tante hat es mir vor langer Zeit geschenkt.«
Leesil nahm diesen Hinweis zum Anlass, auf weitere Fragen zu verzichten. Sie vermieden es beide, über ihre Vergangenheit zu reden.
»Wo ist Chap?«, fragte Magiere.
»In der Küche.« Leesil rollte mit den Augen. »Er hat sich in Beth-rae verliebt. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, gibt sie ihm etwas. Das muss aufhören. Was nützt uns ein dicker Wachhund?«
Er musterte Magiere erneut von Kopf bis Fuß, was sie immer mehr ärgerte.
»MorgensehenwirunsgenauimHausum,nehmenunsdenKellervo r – oderwoauchimmerdieVorrätelager n –
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