Dhampir - Halbblut
auf dem Sattel und hielt sich an Rashed fest, als sein Pferd loslief.
Der Ritt zum Bergfried Gäestev dauerte ewig. Teesha trug keinen Mantel, und die Kälte durchdrang ihr Kleid. Rashed blieb die ganze Zeit über stumm, doch als sie zitterte, legte er seine Arme um die ihren, um sie vor dem Wind abzuschirmen. Corische ritt vorn, und seine übrigen Soldaten bildeten den Abschluss.
Es gab noch immer kein Zeichen von Edwan. Hatte man ihn bereits in ein dunkles, kaltes Verlies geworfen?
Voraus ragte der Bergfried auf, und Teesha dachte an ihr eigenes Schicksal. Es war ein imposanter Steinbau, ein breiter, niedriger Turm mit einem Stall und einem Wachhaus an den Seiten. Als Rashed sie absetzte, dachte Teesha kurz daran wegzulaufen. Aber sie wusste nicht, wohin sie laufen sollte, und außerdem fürchtete sie, dass Schlimmes mit Edwan geschah, wenn sie die Flucht ergriff.
Im Innern war der Bergfried ebenso freudlos wie außen. Es brannten keine Willkommensfeuer, und die bittere Kälte des Winds wich der Frostigkeit von Luft, die zwischen steinernen Mauern gefangen war. Keine Bilder oder Tapisserien hingen an den Wänden. Altes Stroh bedeckte den Boden des Hauptraums. Steinerne Stufen führten in die oberen Bereiche des Turms. Die einzigen sichtbaren Einrichtungsgegenstände waren ein langer rissiger Tisch und ein großer Stuhl. Zwei kleine Fackeln brannten an der Wand und spendeten ein wenig Licht.
Lord Corische schien gar nicht zu bemerken, dass Teeshas Zähne klapperten, ging an ihr vorbei und legte sein Schwert auf den Tisch. Der Fackelschein spiegelte sich auf seinem kahlen Kopf wider.
»Rattenjunge!«, rief er. »Parko!«
Aus seiner Stimme wurde ein hallendes zorniges Knurren. Das Geräusch eiliger Schritte veranlasste Teesha unbewusst, hinter Rashed Schutz zu suchen. Zwei seltsame Männe r – oder Wese n – kamen herein.
Das erste Geschöpf sah aus wie ein vollkommen verdrecktes Schmuddelkind. Es konnte ein Junge sein oder ein junger Mann. Alles an ihm war braun, bis auf die Haut, die sich bleich hier und dort unter den Schmutzkrusten zeigte. Die zweite Gestalt entsetzte sie sofort, noch mehr als Corische.
Das ausgezehrte weiße Gesicht mit den animalischen Augen, die im Kerzenschein blitzten, schien wie aus Knochen geschnitzt. Unter einem Kopftuch, das einst grün gewesen sein mochte, ragten schmutzige schwarze Haarsträhnen hervor. Doch es waren die Bewegungen, die ihr am meisten Angst machten. Der Mann war flink wie ein Tier, sauste herein und sprang von den Stufen, noch bevor er das Ende der Treppe erreicht hatte. Am Tisch hielt er sich fest, drehte sich und schnüffelte.
Sein Blick ging in Teeshas Richtung. Er lief durch den großen Raum, blieb auf halbem Weg stehen, reckte den Hals und versuchte, hinter Rashed zu sehen.
»MöchtetihrnichteurenHerrnbegrüßen?«,fragteCorischekühl.
»Verzeih uns«, erwiderte Rattenjunge mit einem fröhlichen Klang in der Stimme. »Wir haben das Zimmer der Frau vorbereitet, wie von dir gewünscht.«
So freundlich die Worte auch klangen: In den Augen brannten Hass und Bosheit. Parko sank auf alle viere und drehte sich nicht zu Corische um.
»Frau«, sagte er und nickte.
Die Taubheit verschwand aus Teesha, als sie sah, wo sie da hineingeraten war. Diese Männer dienten ihrem Lehnsherrn? Wo waren die Feuer, wo die Wächter, Bierfässer und Speisen?
Rashed trat vor, wodurch Teesha für alle zu sehen war. Vor Parko ging er in die Hocke.
»Du darfst sie nicht anrühren, Parko. Hast du verstanden? Sie ist nicht für dich bestimmt.«
Die seltsame Sanftheit in seiner Stimme überraschte Teesha.
»Frau«, wiederholte Parko.
»Er braucht deine Warnungen nicht«, sagte Corische und legte seinen Umhang ab. »Und du vergisst dich.«
Rashed richtete sich auf und trat zurück. »Ja, Herr.«
Corische wandte sich an Teesha. »Ich bin nicht grausam. Du kannst ein oder zwei Nächte ausruhen, bevor du deine Pflichten antrittst.«
»Welche Pflichten?«
»Du wirst die Lady dieses Bergfrieds sein.« Corische zögerte einen Moment und lachte dann, als hätte er einen komplizierten Witz verstanden. Das Geräusch weckte Übelkeit in Teesha.
»Wenn ich hier der Lord bin«, fuhr Corische fort, »so muss ich eine Lady haben, selbst ein so armseliges, den Boden schrubbendes Bauernmädchen wie dich.«
Das war der erste Hinweis darauf, dass Corische gar nicht beabsichtigte, den Herrn von Bergfried Gäestev zu spielen. Die meisten feudalen Aufseher bekamen Lehen von reicheren Adeligen
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