Dhampir - Halbblut
und in ihrem roten Lieblingskleid brachte sie den durstigen Reisenden im Gasthof Bier. Immer brannte ein Feuer im Kamin, und für jeden hereinkommenden Gast hatte sie ein freundliches Lächeln. Aber ihr besonderes Lächel n – so wundervoll wie eine Lücke zwischen den Wolken, durch die die Sonne schie n – war allein ihrem jungen Ehemann vorbehalten, der ernst hinter der Theke arbeitete und dafür sorgte, dass alles seine Ordnung hatte und niemand auf sein Getränk warten musste.
Edwan erwiderte ihr Lächeln nur selten, aber sie wusste, dass er sie über alles liebte. Sein Vater war ein jähzorniger, gewalttätiger Mann; seine Mutter hatte ein Fieber dahingerafft, als er ein Kind gewesen war. Er hatte in Armut und Knechtschaft gelebt. Darin bestanden Edwans einzige Erinnerungen an seine Kindheit. Mit siebzehn hatte er sein Elternhaus verlassen, war durch zwei Städte gereist, hatte Arbeit in einer Taverne gefunden und Teesha kennengelernt. Zum ersten Mal in seinem Leben begegnete er Freundlichkeit und Zuneigung.
Mit sechzehn hatte Teesha bereits mehrere Heiratsanträge bekommen, aber immer abgelehnt. Jedes Mal stimmte mit dem Freier etwas nicht: zu alt, zu jung, zu albern, zu hartnäcki g … zu irgendetwas. Teesha hielt es für besser zu warten. Als Edwan durch die Tavernentür kam, mit seinem dunkelblonden Haar, den breiten Jochbeinen und seinen ruhelosen Auge n – da wusste sie, dass sie ihre andere Hälfte gefunden hatte. Nach fünf Jahren Ehe sprach er noch immer fast nur mit ihr.
Für ihn war die Welt ein feindseliger Ort, und Sicherheit gab es nur in Teeshas Armen.
Für sie bestand die Welt aus Liedern, gewürzten Rüben, Bierkrügen, die sie Gästen bracht e – die längst zu Freunden geworden ware n –, und warmen Nächten zusammen mit Edwan unter einem Federbett.
Es war eine gute Zeit gewesen, aber eine kurze.
Als Lord Corische die Tür des Gasthofs zum ersten Mal öffnete, blieb er draußen stehen. Kalter Wind wehte in den Schankraum, und die Gäste fluchten. Teesha lief zur Tür, um sie zu schließen.
»Darf ich hereinkommen?«, fragte der Lord, aber seine Stimme klang fordernd. Er schien die Antwort bereits zu kennen.
»Natürlich, bitte«, sagte Teesha ein wenig überrascht, denn die Taverne stand allen offen.
Als er und sein Begleiter eintraten und Teesha die Tür schloss, kehrte wieder Ruhe ein. Einige Leute drehten neugierig den Kopf, dann noch einige mehr, als sich die ersten nicht wieder ihrem Essen zuwandten.
Nichts an Lord Corische wirkte ungewöhnlich. Weder das Kettenhemd noch die gepolsterten Panzerplatten, denn so etwas trugen Soldaten und Söldner oft. Er war weder hübsch noch hässlich, weder groß noch klein. Die einzigen charakteristischen Merkmale waren ein kahler Kopf und eine kleine weiße Narbe über dem linken Auge. Doch er kam nicht allein, und die neugierigen Blicke der Gäste galten nicht etwa Lord Corische, sondern seinem Begleiter.
Neben dem kahlköpfigen Lord stand der größte und eindrucksvollste Mann, den Teesha je gesehen hatte. Er trug einen dunkelblauen, gefütterten Kasack, der mit einem Rautenmuster aus schimmernden weißen Fäden verziert war. Das kurze, pechschwarze Haar bildete einen auffallenden Kontrast zum bleichen Gesicht, und die Farbe der hellen Augen ließ sich kaum bestimmen. Sie erinnerten Teesha an glattes Eis über einem tiefen See.
Die beiden Männer gingen zu einem Tisch, doch der Blick des Kahlköpfigen galt noch immer Teesha.
»Kann ich dir Bier bringen?«, fragte sie.
»Du wirst mir bringen, was immer mir beliebt«, sagte der Mann laut und genoss den Moment. »Ich bin Lord Corische, der neue Herr von Bergfried Gäestev. Alles hier gehört mir.«
Als die Dorfbewohner im Schankraum dies hörten, begannen sie zu murmeln, aber so leise, dass ihre Worte ungehört blieben.
Teesha hielt unwillkürlich den Atem an und senkte den Blick. Vor mehr als einem Jahr war der vorherige Lehnsherr bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen. Während dieser Zeit hatte das Dorf keine Nachricht von der Ankunft eines neuen Lords erreicht.
»Bitte verzeiht mein ungezwungenes Gebaren«, sagte sie. »Ich wusste nicht, wer Ihr seid.«
»Dein freimütiges Gebaren ist willkommen«, erwiderte Corische ruhig.
Auf Teesha wirkte er alles andere als adelig, aber in ihrem bisherigen Leben hatte sie nur selten Adelige gesehen. Sie verglich Corische mit den Bergländern, die kalt und für Unvorsichtige gefährlich waren. Wenn einer der beiden Männer wie ein Lord
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