Dhampir - Halbblut
zu stellen oder ihn zurückzuweisen, als er sie hochhob und, die Lampe in der anderen Hand, durch den Korridor trug. Er blieb nicht an einer der Türen stehen, sondern schritt bis zum Ende des Ganges, drückte dort die Hand an eine bestimmte Stelle der Wand und achtete darauf, Teesha nicht fallen zu lassen. Der Stein unter seiner Hand gab nach, und Rashed griff in die Lücke. Teesha hörte ein Geräusch, wie von Metall, das über Metall kratzte, und dann knirschten Steine, als sich die Wand zur Seite drehte und den Weg zu einer Treppe freigab, die noch weiter in die Tiefe führte. Rashed schritt die Stufen hinunter.
Teesha wusste nicht, wie viele Stufen hinter ihnen lagen, als sie schließlich einen Raum erreichten, der fünf Särge enthielt. Vier waren aus einfachem Holz und kaum mehr als lange Kästen. Der fünfte bestand aus Eichenholz, wies breite Eisenbänder auf und war ganz offensichtlich für die letzte Ruhe bestimmt. Allerdings fehlten Tragegriffe.
»Hier musst du jetzt schlafen«, sagte Rashed. »In einem Sarg, mit der Erde deines Heimatlandes. Wenn du ins Sonnenlicht hinausgehst, stirbst du.« Er setzte sie auf einem der vier Särge ab. »Du ruhst hier, neben meinem Sarg. Ich habe deinen für dich vorbereitet.«
Die sorglose Serviererin namens Teesha existierte nicht mehr. Etwas anderes nahm ihren Platz ein.
Während der nächsten Nächte erfuhr sie viele Dinge: dass sie sich den Wünschen ihres Herrn nicht widersetzen konnte, dass sie für ihre Existenz Blut brauchte, dass Rasheds Sarg zur Hälfte mit weißem Sand gefüllt war und dass sie untot war. Rashed erklärte ihr alles mit unendlicher, leidenschaftsloser Geduld. Zwar wünschte sie sich manchmal den Rest des Todes, aber der Hass auf Corische veranlasste sie, jede Nacht aufzustehen.
ErwarmehralsnurderLorddesBergfrieds.ErwareinHerrunterdenEdlenToten,jenenUntoten,dieihrvollesSelbstineinerewigenExistenzbewahrte n – sieunterlagennichtderSterblichkeit,diedieLebendenaltundschwachwerdenließ.EswarenVampireundLichen,diephysischeKörperhatten,alleihreErinnerungenundeinvollständigesBewusstsein.DieEdlenTotenwarendiehöchstenundmächtigstenWesenunterdenUntoten.BeiVampirenbestanddieeinzigeSchwächedarin,dasssiejenengehorchenmussten,diesiegeschaffenhatten.CorischesSchöpferwardurchirgendetwasausgelöschtworden, was ihm die Freiheit gab, sich eigene Diener zu schaffen.
Teesha stellte fest: Wenn er ihr etwas befahl, konnte sie sich nicht widersetzen. Sie verachtete ihn und stellte sich vor, wie er in Flammen verbrannt e – die Gedanken blieben frei. Aber wenn er sprach, musste sie gehorchen. Das galt auch für Rashed, Parko und Rattenjunge. Rashed wäre vielleicht ohnehin bereit gewesen, alle Anweisungen auszuführen, die er von Corische bekam. Er schien seinem Herrn wirklich treu zu sein. Das empörte Teesha, denn sie zweifelte nicht daran, dass er Corische in jeder Hinsicht überlegen war.
Rashed lehrte sie, wie man sich ernährte, ohne zu töten, wie man den Klang der Stimme mit dem Willen synchronisierte, damit das Opfer sanftmütig und gefügig wurde.
Als sie Rashed fragte, warum er solche Rücksicht auf Sterbliche nahm und sie nicht töten wollte, war seine kühle Antwort rein praktischer Natur.
»Selbst eine so dicht bevölkerte Gegend wie diese kann vier von uns nicht ernähren, wenn wir rücksichtslos sind. Wir müssen vorsichtig sein. Andernfalls riskieren wir, unser Zuhause und unsere Versorgung zu verlieren.«
Teeshaerfuhr,dassdieUntotenverschiedeneEbenenvonMachterreichten.RashedhieltihregeistigenFähigkeitenfürsehrgut,dieeigenenunddievonRattenjungefürausreichend.Parkokonntesichnichtgutgenugausdrücken,umdenanderenGelegenheitgeben,seinmentalesPotenzialzubeurteilen,dochseineSinnewarensehrscharf,nochschärferalsdieverstärktenSinneeinesEdlenToten.Rashedwarständigbemüht,ihnunterKontrollezuhalten.CorischestelepathischeFähigkeitenwarensobegrenzt,dasssichTeeshamanchmalfragte,wieeranNahrungkam.
Die meisten Edlen Toten entwickelten geistige Fähigkeiten, aber oft hingen sie von den Neigungen und Talenten der betreffenden Person im Leben zuvor ab. Teesha hatte immer Träume und Erinnerungen geliebt. Sie fand heraus, dass es ihr leichtfiel, das Bewusstsein eines Sterblichen zu erreichen, angenehme Wachträume zu projizieren und Erinnerungen zu verändern.
Als Rashed sie zum ersten Mal auf die Jagd mitnahm, war es wie eine Offenbarung für sie. Eine Zeit lang ritten sie gemeinsam auf seinem braunen Wallach, stiegen dann ab und banden das Pferd
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