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Dhampir - Halbblut

Dhampir - Halbblut

Titel: Dhampir - Halbblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb & J. C. Hendee
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Ellinwoods Untersuchung des Tatorte s – beziehungsweise dem Verzicht darau f – hatte Leesil Rattenjunges Dolch hervorgeholt, Chaps Blut von der Klinge gewischt und ihn weggelegt. Jetzt holte er ihn aus der Truhe hervor und fasste ihn nur an der Klinge an, nicht am Griff. Auch zuvor beim Abwischen der Klinge hatte er darauf geachtet, nicht den Griff zu berühren, denn das war die Stelle, von der er sicher sein konnte, dass Rattenjunge sie angefasst hatte. Er brauchte jede noch so kleine Spur, die der schmutzige kleine Eindringling hinterlassen hatte.
    Erneut nagte Ungewissheit an Leesil. Er sank auf die Knie und hebelte zwei Fußbodenbretter nach oben, die er noch am Abend ihrer Ankunft gelöst hatte. Ein langer, rechteckiger Kasten lag in dem Versteck. Leesil zitterte bereits vor Abscheu, als er ihn berührte, aber nicht ein einziges Mal in seinem Leben hatte er daran gedacht, den Kasten wegzuwerfen. Er holte ihn hervor und öffnete ihn.
    Im Innern lagen Waffen und Werkzeuge, die unvergleichliche Leistungen elfischer Handwerkskunst darstellte n – seine Mutter hatte sie ihm zum siebzehnten Geburtstag geschenkt. Sie waren nicht unbedingt das, was sich jemand als Geschenk wünschte. Zwei Stilette so dünn wie Stricknadeln ruhten unter einem Würgedraht mit zwei Griffen aus Metall. Daneben lag eine gekrümmte Klinge, scharf genug, um damit ohne große Mühe durch Knochen zu schneiden. Ein Geheimfach im Deckel enthielt Dietriche, mit denen er jedes Schloss knacken konnte. Es waren leblose Objekte, doch ihr Anblick trieb ihn fast hinunter zum Weinfass und zu seinem Becher.
    Leesil schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch. Betrunken nützte er Magiere nichts. Aber die Nähe dieser Gegenstände und seine Nüchternheit brachten ihm Erinnerungen, die er seit vielen Jahren zu unterdrücken versuchte. Er hielt die Augen geschlossen und fühlte den Schmerz.
    Grüne Schatten und die riesigen Bäume seines Geburtsortes erschienen. Wie schön. Magiere war nie so weit im Norden gewesen und kannte Doyasag, das Land seiner Geburt, nicht; und er hatte sich nie die Mühe gemacht, es ihr zu beschreiben. Als er ihr Partner beim Spiel geworden war, hatte ein neues Leben für ihn begonnen, und seitdem versuchte er, die Vergangenheit zu vergessen. Vom Abend ihrer Begegnung an ließ er alles hinter sich zurück.
    Die frischen Gerüche und Farben seines Heimatlandes waren wie eine bemalte Leinwand, hinter der machthungrige Männer um Vorherrschaft kämpften. Das Land wurde nicht von einem König regiert, sondern von einem Kriegsherrn namens Darmouth, der überall Verrat witterte. Regierende Kriegsherren brauchen Spione und andere geheime Diener, und Leesil war fünfzehn Jahre alt und in der Ausbildung, als er begriff, dass seine Eltern nicht einfach für Darmouth arbeiteten. Sie gehörten ihm praktisch.
    Die hellbraune Haut und das goldene Haar seiner Mutte r – ihr exotisches Elfen-Erb e – machten sie zu einer nützlichen Waffe, wenn sie die Illusion einer großen, aber empfindsamen jungen Frau und einer ausländischen Schönheit schuf. Leesils Vater verstand es, mit den Schatten zu verschmelzen, als wäre er bloß Staub in der Luft. Er verursachte keine Geräusche und hinterließ keine Spuren. Beide verrieten, wen sie verraten sollten, und töteten, wer auf Befehl des Kriegsherrn sterben musste. Sie lehrten Leesil alles, was sie wussten, das Handwerk und die Kunst der Familie, und er war der einzige Erbe.
    »Wir sind hier in einer schwierigen Position, Lìsill «, flüsterte ihm seine Mutter eines Abends zu. »Man braucht uns und unsere Fähigkeiten, aber wir sind auch entbehrlich. Wenn wir einen Auftrag ablehnen oder zögern, sind wir die Nächsten, die plötzlich im Schlaf sterben oder wegen angeblicher Verbrechen angeklagt und hingerichtet werden. Verstehst du, mein Sohn? Nicke immer und komme allen Anweisungen nach.«
    Ganz gleich, wie viel es zu verdienen gab: Leesil eignete sich einfach nicht für ein Leben in isolierter Knechtschaft. Spione und Assassinen hatten keine Freunde. Seine Mutter schien zu spüren, wie einsam er sich fühlte. An seinem fünfzehnten Geburtstag schenkte sie ihm einen großen, silberblauen Welpen, der über ihn krabbelte und ihm das Gesicht leckte. Es war der einzige Moment reiner Freude, an den er sich erinnerte.
    »Dies ist ein besonderer Hund«, sagte sie und hob dabei die schmalen, anmutigen Hände. »Vor langer Zeit schützte sein Urgroßvater meine Familie vor Gefahren. Er wird über dich

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