Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
fast.
Schatten stand vor einem weiteren Gitter. Dahinter setzte sich der Tunnel in der Dunkelheit fort.
Sie waren dem Ende des Tunnels und dem letzten Gitter, das Schatten in den Erinnerungen der Herzogin gesehen hatte, nicht einmal nahe. Und hinter ihnen kam die Flut.
Sau’ilahk wartete in einem halbdunklen Seitentunnel, nicht weit von der Kurve entfernt, die zum Bruch-Markt führte. Es war ein schmaler Tunnel, der eigentlich nur den Zweck erfüllte, Zugang zu den Hintertüren einiger Läden des Hauptwegs zu ermöglichen.
Wynn war aus seiner Reichweite verschwunden, aber das kümmerte ihn nicht. Wahrscheinlich hatte sie sich zusammen mit ihren Gefährten auf ein weiteres sinnloses Unterfangen eingelassen. Sau’ilahk glaubte inzwischen, die Intelligenz der jungen Weisen überschätzt zu haben, aber in den letzten Nächten hatte sie wenigstens einen Zweck erfüllt: Durch sie verfügte er jetzt über eine bessere Verbindung zu den verborgenen Texten.
Herzogin Reine Faunier, Âreskynna durch Anheirat, würde sich an diesem Abend in die Unterwelt der Zwerge begeben.
Kommt , flüsterten Sau’ilahks Gedanken.
Ein orangefarbenes Glühen kam aus der Tunnelwand.
Die Steinspinne erschien, mit ihrem einen Auge wie aus blutrotem Glas. Sie verharrte an der Wand und beobachtete ihn, während sich unter ihren vier Beinen bei jeder noch so kleinen Bewegung Kräuselungen wie winzige Wellen im Gestein ausbreiteten.
Auch im Boden bewegte sich etwas, und ein weiteres Geschöpf kroch daraus hervor, ein Wurm dick wie ein Seil, bestehend aus einzelnen steinernen Segmenten. Der runde Mund zitterte und schien zu schnüffeln.
Keiner dieser beiden Diener war jener, den er damit beauftragt hatte, der Herzogin zu folgen.
Sau’ilahk hatte mehr als nur eine Leiche in abgelegenen Ecken des Seatt zurückgelassen, um genug Kraft für all diese Diener zur Verfügung zu haben. Etwas, das nach einem schwarzen Rauchfaden aussah, schlängelte sich an der Tunneldecke entlang und kam immer näher, bis es sich direkt über Sau’ilahks Kapuze befand.
Dort verdichtete sich der »Rauchfaden« und senkte sich auf Sau’ilahk herab.
Jeder der drei Diener war für bestimmte Aufgaben vorgesehen und verfügte über einen Funken Eigenintelligenz. Die Spinne aus Stein, Feuer und Luft konnte sehen und hören. Der Wurm aus Stein, Wasser und Luft konnte riechen und schmecken. Und der Rauch, die Verschmelzung von Luft, Feuer und Geist …
Zeig es mir!, befahl Sau’ilahk.
Das schwarze Etwas, das wie Rauch aussah, kroch unter die Kapuze und breitete sich im Innern des dunklen Mantels aus, in Sau’ilahks substanzloser Gestalt.
Der Tunnel verschwand aus seiner Wahrnehmung.
Er blickte von weit oben nach unten , in den breiten, von Säulen gesäumten Tunnel des Bruch-Hauptwegs – er hing irgendwo in dem großen Riss, dem der Weg seinen Namen verdankte. Unten betraten die Herzogin und ihr Gefolge gerade den Tunnel zum Bruch-Markt.
Eingetaucht in die Erinnerungen seines dritten Dieners schwebte Sau’ilahk an der Decke des Tunnels entlang und folgte der Gruppe. Der Markt war geschlossen, die Höhle leer und still, aber die Herzogin setzte den Weg zu einem Tunnel auf der anderen Seite fort. Sau’ilahk flog durch die Höhle in den neuen Tunnel und glitt dort über die Wand.
Die Herzogin ging inmitten ihres Gefolges, mit langsamen, trägen Schritten.
Niemand sprach. Es war eine seltsame, stille Prozession.
Sau’ilahks Diener floss an der Seitenwand des Tunnels herab und über den dunklen Boden. Dort breitete er sich aus, schlang sich behutsam um die stapfenden Füße der Leibwächter und die kleineren der Herzogin. In den Erinnerungen des Dieners sah Sau’ilahk nur das weiße Gewand des Elfen und die Stiefel des Hauptmanns. Aber er fühlte …
Sorge umklammerte Herzogin Reines Herz.
Und hinzu kam der Schmerz eines Verlustes. Zwei verschiedene Gefühle, aber miteinander verbunden; das eine führte zum anderen und wieder zurück. Sie fürchtete eine Wiederholung des Verlustes, und dass er dadurch noch schlimmer wurde.
Sau’ilahk verstand nicht und bedauerte, dass niemand sprach. Worte hätten ihm vielleicht den Grund für die Sorge und den Schmerz offenbart.
Die Herzogin hustete und wurde langsamer. Weiter vorn blieb der Elf stehen.
Sau’ilahks Diener kroch über den Boden, glitt an der Wand zur Decke hoch und beobachtete, wie sich die Herzogin mit der Hand über Nase und Mund strich. Der Elf schnupperte, rümpfte die Nase und blickte in beiden
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