Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
einen Moment, als sie vorsprang und durch den Korridor lief.
Die beiden Hälften einer eisernen Tür schoben sich tief im Innern des Torbogens aus den Wänden. Bevor sich die Doppeltür schloss, erhaschte sie einen Blick auf Asche-Splitter.
Wieder verschwammen die Bilder, wie bei einem Sprung durch die Zeit.
Wynn spürte kaltes Metall am Ohr, als Schatten den Kopf an die Tür hielt. Drinnen ertönte ein Geräusch wie von Metall auf Stein, aber es hörte sich anders an, rhythmisch und von einem Pochen wie von schnellen Schritten begleitet. Das Geräusch kam näher und wurde lauter, und hörte dann plötzlich auf.
Sie vernahm Stimmen auf der anderen Seite der Tür.
Eine war höher als die anderen. Das musste die Herzogin sein. Aber warum war sie bei den Steingängern? Sie hatte dem Toten die letzte Ehre erwiesen und war mit den Trägern des Leichnams gegangen – um nicht in die Menge der Zwerge zu geraten, die das Amphitheater verließen, wie Wynn zuerst angenommen hatte. Doch es schien mehr dahinterzustecken.
Alles wurde dunkel.
Die Erinnerungsbilder brachen so schnell ab, dass Wynn erneut auf den Knien schwankte. Sie schlang die Arme um Schattens Hals und dachte darüber nach, was sie gerade gesehen und gehört hatte.
Die Nachricht von Hammer-Hirschs Tod konnte Herzogin Reine nicht so schnell in Calm Seatt erreicht haben. Warum also war ein Mitglied der königlichen Familie hier bei den Zwergen? Welche Verbindung gab es zwischen ihr und dem Thänæ? Und war sie ebenfalls durch das eiserne Portal gegangen, oder hatte sie einen anderen Weg genommen?
Wynn neigte den Oberkörper zurück, hielt Schattens Schnauze und flüsterte: »Braves Mädchen!«
»Was ist?«, fragte Chane.
»Sie hat gesehen, welchen Weg die Steingänger genommen haben«, antwortete Wynn. »Zumindest die Türen irgendwo hinter der Bühne, durch die sie gegangen sind. Wenn wir sie öffnen können, bekommen wir vielleicht die Möglichkeit, ihnen zu folgen.«
Wynn hatte nicht beobachten können, wie die metallenen Portale geöffnet wurden, aber vielleicht hatte Schatten irgendetwas übersehen.
Chane sah sie beide an.
»Kann sie uns dorthin führen?«, fragte er.
»Jetzt sofort? Noch heute Abend?«
Wynn wollte bei ihrer Suche weiterkommen, aber dennoch regten sich Zweifel in ihr. Das Amphitheater füllte sich mit Zwergen, die bis spät in die Nacht essen und trinken würden.
»Wynn?«, erklang eine tiefe Stimme.
Sie drehte sich halb um und sah zum Eingang des dunklen Raums. Shirvêsh Klöpfel schritt zwischen den Tischen umher und hielt nach ihr Ausschau. Er schien nicht sehr davon begeistert zu sein, nach ihr suchen zu müssen.
»Melde dich nicht«, flüsterte Chane. »Wir dürfen diese Gelegenheit nicht versäumen.«
Wynn war versucht, ihm zuzustimmen, aber dann schüttelte sie den Kopf.
»Wir sollten vermeiden, uns seinen Ärger zuzuziehen; vielleicht brauchen wir noch einmal seine Hilfe. Wenn wir keine Möglichkeit finden, den Steingängern zu folgen, können wir nur über ihn erfahren, was mit Hammer-Hirsch geschehen ist und warum sich die Herzogin hier aufhält. Sie scheint die besondere Gunst der religiösen Kasten des Seatt zu genießen.«
Wynn stand mit der Absicht auf, den dunklen Raum zu verlassen. Chane öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber sie schüttelte den Kopf. Resigniert schloss er die Augen, und Wynn trat durch die Tür.
»Wir sind hier!«, rief sie.
Chane verließ den Raum ebenfalls. Klöpfel kam ihnen mit hochgezogenen weißen Brauen entgegen.
»Was habt ihr da drin gemacht?«, fragte er.
Wynn suchte nach einer schnellen Antwort. »Wir wollten dir Gelegenheit geben, ungestört mit den anderen zusammen zu sein. Ich weiß, wie sehr du Hammer-Hirsch geschätzt hast, und wir wollten uns nicht aufdrängen.«
Die Strenge wich aus Klöpfels Zügen. »Oh, macht euch deshalb keine Sorgen. Ich habe mich von Hammer-Hirsch verabschiedet, und wir sollten seine Familienangehörigen und Freunde jetzt dem Schlemmen und Erzählen überlassen.«
»Natürlich«, erwiderte Wynn und sah kurz zu Chane.
Der presste die Lippen zusammen und folgte der jungen Weisen.
10
Sau’ilahk wartete in der Nacht, in der Nähe einer Tunnelöffnung halb in die Wand gesunken. Es befanden sich zu viele Personen im Amphitheater, als dass er es betreten oder sich auch nur nähern konnte. Dieser Ort war ihm unbekannt, und daher wusste er nicht, durch welchen Korridor er schleichen oder durch welche Wand er schlüpfen musste, um einen
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