Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
diese Richtung wenden.«
Nach diesem Ritual gingen sie durch den Hauptraum, vorbei am Podium und durch die Tür dahinter ins Pastorenzimmer mit dem kleinen Kamin.
Es stand immer für die Gemeinde offen, war mit einfachen Stühlen und einem Schreibtisch aus Eschenholz sowie zwei kleineren Tischen ausgestattet. Bücherregale zogen sich an den Wänden entlang, gefüllt mit alten, gut erhaltenen Bänden. Sie enthielten eine Übersicht über das Wissen und die Kultur der Welt, außerdem die Lehre des Glaubens.
Wissen war heilig, und einige der Texte betrafen Aufzeichnungen der wahren Geschichte der Welt. Sie erzählten, wie das Bewusstsein entstanden war.
Rodian merkte plötzlich, wie hungrig und durstig er geworden war, als er einen halb gefüllten Teekessel aufs Feuer setzte. Seit dem kurzen Gebet im Eingang hatte niemand von ihnen gesprochen, und Jason verschränkte die Arme. Âdweard neigte den Kopf und musterte Rodian besorgt.
»So beunruhigt habe ich dich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen«, sagte er. »Außerdem hast du die letzte Messe verpasst und auch die Versammlung am Abend zuvor.«
Rodian atmete tief durch und wusste nicht, wie er beginnen sollte. Dies war etwas anderes als eine gewöhnliche Vernehmung. Der Baron und sein Sohn waren nicht nur Freunde, sondern auch Brüder. Sie teilten seinen Glauben, wonach höhere Gedanken und die sie begleitende Moral die wichtigsten Tugenden waren, die den Menschen auf ein kultiviertes Niveau hoben. Und das Wissen gehörte jenen, die fähig waren, es zu erkennen und Gebrauch davon zu machen.
Zu den anderen Mitgliedern des Ordens zählten Adlige, Politiker, Männer und Frauen aus der Justiz und auch einige reiche Kaufleute. Neue Mitglieder mussten zwei Jahre lang von einem Förderer betreut werden. Âdweard war Rodians Förderer gewesen.
Aber auch wenn sich daraus Konflikte ergeben mochten: Die Wahrheit war am wichtigsten, selbst wenn es bedeutete, Glaubensbrüder zu vernehmen. Wenn Jason etwas mit dem Tod der beiden fehlgeleiteten jungen Weisen zu tun hatte, so musste die Wahrheit ans Licht gebracht werden.
Rodian gab Teeblätter in drei Tassen und goss heißes Wasser darauf.
»Ich führe eine Ermittlung, die die Weisengilde betrifft«, sagte er schließlich.
Jason lächelte verächtlich, und Âdweard runzelte die Stirn. Die Mitglieder der Dreieinigkeitsgemeinde hielten nicht besonders viel von der Gilde der Weisen, obwohl sie ihr zugestanden, dass sie viel für die Menschen getan hatte. Aber bei der Wahl ihrer Initiaten ließ sie nicht genug Sorgfalt walten und verbreitete fehlerhafte Interpretationen der Geschichte.
»Die Weisen … «, begann Jason mit giftig klingender Stimme.
»Zwei Weise aus dem Orden der Reisenden sind tot«, unterbrach Rodian den jungen Mann und beobachtete ihn aufmerksam. »Einer von ihnen hieß Elias.«
Jason schluckte plötzlich. »Er ist tot? Wie kam es dazu?«
»Er wurde ermordet, vermutlich mit Gift, in einer Gasse unweit des Skriptoriums. Kennst du eine junge Frau namens Elvina?«
Rodian stellte die Frage, bevor Jason Zeit zum Nachdenken fand, und er sah, wie die Augen des jungen Mannes groß wurden. Jason ließ die Arme sinken, und eine Mischung aus Wachsamkeit und Furcht erschien in seinem Gesicht.
»Worum geht es hier?«, fragte Âdweard scharf.
Rodian fühlte sich von Unbehagen erfasst. »In einer Zeugenaussage heißt es, dass Jason Elias gedroht hat, wegen der genannten jungen Frau.«
»Wer behauptet das?«, fragte Jason.
»Hast du Elias gedroht?«
»Er hätte nicht mit ihr reden sollen! Ein Weiser! Und nicht einmal das … nur ein Reisender … «
»Antworte mir!«, befahl Rodian.
Ein harter Glanz erschien in Âdweards Augen.
»Jemand musste ihren Namen schützen«, knurrte Jason. »Gerade du solltest das verstehen.«
»Dies ist meine Pflicht«, entgegnete Rodian. »Und ich versuche, dir zu helfen. Wo warst du vorgestern Abend?«
Âdweard wirkte schockiert und strich sich mit der Hand übers Gesicht. »Als Hauptmann der Wache musst du natürlich eine solche Ermittlung durchführen, Siweard. Das verlangt der Glaube ebenso wie die Pflicht.« Er ließ sich langsam auf einen Stuhl sinken. »Trink deinen Tee. Du siehst müde aus.«
Die Anspannung verschwand. Rodian setzte sich, trank einen Schluck und spürte, wie ihm der Tee warm durch die Kehle rann. Er nahm noch einen Schluck.
»Jason war vorgestern Abend mit mir zusammen, und mit Pastor Taultian«, sagte Âdweard. »Es waren auch viele andere
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